Sie sind schon drollig, diese
Halbstarken. Nach außen hin schlägt Herr Krüger oft die Hände über dem Kopf
zusammen und ermahnt seine Schüler, wie es sein Job verlangt, nach innen amüsiert
er sich aber doch fast immer. In diesem Falle sind es ganz speziell die männlichen
Schüler, die sich in bestimmten Situationen immer wieder in ganz besonderer
Form präsentieren.
Herr Krüger genießt seit geraumer
Zeit einen Oberstufenunterricht, der weitaus weniger von lauten Zwischenrufen
und sinnlosem Rumgewusel gestört wird als in der Mittelstufe. Oberstufenschüler
sind anders. Sie haben ihre Wuselphase durchlebt und sind in der Mini-Max-Phase
angelangt: Minimaler Aufwand, maximaler Nutzen, so lautet die Devise. Man
bewegt sich nicht viel, beteiligt sich notdürftig und versucht, schriftliche
Phasen auf dem Minimal-Level zu erledigen. Weibliche Teenager in diesem Alter sind
da anders. Sie werden fleißiger, aktiver als in der Mittelstufe und verzichten
weitgehend auf ihre Ich-bin-was-Besonderes-Rolle. Zum Glück!
Die jungen Wilden scheinen irgendwo
auf dem Weg in die Oberstufe jedoch den falschen Abzweig genommen zu haben,
denn sie sehen sich offenbar in der Position, eine Prinzen-Rolle einnehmen zu
müssen, wie Herr Krüger immer mal wieder ansatzweise, heute jedoch deutlich vor
Augen geführt wird. Die ersten Schüler seines Grundkurses haben sich bereits
vor dem bisherigen Klassenraum gesammelt, als Herr Krüger den Neubau betritt
und feststellt, dass der Raum besetzt ist. Er zückt seinen neuen Stundenplan
und liest „T08“. Bisher fand der Kurs immer in T03 statt, aber offenbar hat
sich das mit dem neuen Plan geändert. „Ich glaube, da stimmt was nicht, aber
ich lasse Sie erst einmal in T08 hinein“, wendet sich Herr Krüger an seine
Kursschüler und schließt auf. T08 ist der Jahrgangsraum der 7. Klassen, der
aufgrund seiner Sonderfunktion keine Tafel oder ein entsprechendes Board hat
und zudem mit kippeligen, dreieckigen Gruppentischen bestückt ist, auf denen
liebevoll kleine, beige-rot bestickte Stoffdeckchen platziert sind. Zudem gibt
es eine Sitzecke, ein Bücherregal und einen kleinen Tresen, kurzum, man merkt,
dass dies kein Unterrichtsraum ist.
Die jungen Prinzen jedoch
scheinen dies ganz anders zu sehen, entern den Raum bereitwillig, fallen zurück
in ihr letztes Entwicklungsstadium und werden laut, ungewöhnlich unruhig und
ansatzweise wuselig. Drei der insgesamt neun Prinzen entern unmittelbar nach
Betreten des Raumes die Couch, lassen sich hineinfallen, sodass Staub und
einige Federn aus der Füllung in die Höhe gewirbelt werden und zwei Sitzkissen
in die Höhe hüpfen (ob aus Freude oder vor Schreck, ist nicht eindeutig
festzustellen). Zwei weitere Exemplare dieser Prinzen-Spezies besetzt eine
Deckchen-bedeckte Tischgruppe in zentraler Raumposition, in der Hoffnung, an
einem der exponiertesten aller Plätze zu residieren, versäumt es jedoch nicht,
das hübsch umnähte Deckchen mit zwei spitzen Fingern angewidert und als nicht
standesgemäß auf einen der billigen Nachbarplätze zu katapultieren und zu
kommentieren: „Herr Krüger, das ist jetzt aber nicht ihr Ernst, diese Deckchen,
oder?“
Währenddessen hat es sich Prinz
Jakob noch etwas bequemer auf seinem Couchplatz gemacht und seine Stiefel – an
den Füßen sollte er mit Größe 46 mittlerweile ausgewachsen sein – zielsicher auf
dem kleinen Couchtisch platziert. „Jakob, haben Sie sich das Zeugnis von jemand
anderem ausgeliehen, um in die Oberstufe zu kommen oder was ist da falsch
gelaufen, dass Sie sich noch so benehmen? Oder war es mein Fehler, dass ich
vergessen habe, eine angemessene Lernatmosphäre für Sie vorzubereiten? Dann
bitte ich natürlich vielmals um Entschuldigung ...“ scherzt Herr Krüger.
Gemächlich, man könnte auch sagen ‚seinem vermeintlich etablierten Status
angemessen‘ hebt Prinz Jakob seine Füße wieder vom Tisch, jedoch nicht ohne ein
„dann müssen Sie mir schon einen Ersatz hinstellen, damit ich meine Füße
ablegen kann!“ „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, mylord?“ beendet Herr
Krüger den Wortwechsel. „Na schön“, grummelt Jakob, während Herr Krüger Marc
einen Stapel Papier mit der Bitte in die Hand drückt, diese zu verteilen.
„Lassen Sie das mal lieber die Mädchen machen, die können das besser ...“
kontert dieser und reicht den Papierstapel ohne zu zögern weiter. Herr Krüger
schüttelt den Kopf und dreht sich weg in der Hoffnung, dass kein weiterer
Schüler einen Rückfall in diese kindlichere Verhaltensphase erleidet.
Als es heute klingelt, werden die
jungen Prinzen unruhig, sie verfallen wieder in ihr altes Rollenmuster und es
zieht sie Richtung Tür. Bereits als Herr Krüger seine erkennbar abschließenden
Worte beginnt, verlassen die ersten männlichen Kursschüler bereits den Raum.
‚Na, da fehlt aber noch einiges
zum ganzen Mann‘, denkt sich Herr Krüger und packt dann auch zusammen.
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