Montag, 13. Juli 2015

Bad, bad Bad



Da denkt man, es ist so gut wie vorbei und der Rest ist nur noch reine Formsache, aber dann ..
Das Schuljahr ist fast um, Herr Krüger sowie alle anderen Kollegen und Schüler bereits auf der Zielgeraden, als im Rahmen der letzten Schultage ein Wandertag ansteht. Die Klasse hat sich entschieden, ins Schwimmbad zu gehen. Kein Problem, denken sich Herr Krüger und seine Kollegin Frau Kracht, auch nicht, als sich die Schüler fürs Freibad entscheiden. Doch als der Himmel bereits am Vorabend dunkelgrau erscheint und es am Tag selbst regnet, steht für die beiden Klassenlehrer fest: Wir disponieren um und gehen ins Hallenbad.

Nur die Schüler haben natürlich nicht mitgespielt und mehrheitlich entschieden, dennoch ins Freibad zu gehen. Nun gut, Herr Krüger und Frau Kracht zeigen sich flexibel und schlagen den Weg Richtung Freibad ein, wobei Herr Krüger mit dem Rad unterwegs ist und neben einigen Schülern herfährt, sich unterhält und mit ihnen rumwitzelt. Als Herr Krüger mal ein bisschen mehr in die Pedale tritt, um zu einer anderen Schülergruppe vorzustoßen, läuft ihm Samet unvermittelt direkt vors Rad. Um ihn nicht über den Haufen zu fahren, weicht Herr Krüger aus, strauchelt und ... steigt schließlich über den Lenker ab! – Na toll!

Genervt und sauer auf Samet, der sich nahezu gänzlich unkontrolliert zu bewegen scheint, versucht Herr Krüger, sich aus den Speichen seines Fahrrades zu befreien, sammelt seine Knochen zusammen und begutachtet seine Blessuren. Fazit: Ein Fahrrad im Dreck mit (hoffentlich) keinen weiteren Schäden, eine beschmutzte Hose, eine blutende Wunde an der Hand (natürlich genau da, wo man am häufigsten dranstößt, wie Herr Krüger seitdem weiß), feinste Hautabschürfungen am Oberschenkel sowie an der Wade - und zwar jeweils die meist minimalen Hautabschürfungen, die am meisten wehtun.

Herr Krüger schnaubt leise vor sich hin, während Samet immerhin zwar auf die Idee kommt, sich ungeschickt zu entschuldigen, im selben Atemzug jedoch erneut übergriffig wird, indem er Herrn Krüger anfasst und mit einem „Zeigen Sie mal ...“ so tut, als sei es nur halb so wild. „Geh mir aus den Augen .... und zwar für mindestens den restlichen Tag, wenn nicht sogar für den Rest des Schuljahres!“ Samet trollt sich, wenn auch nur für fünf Minuten, bis er schon wieder vergessen hat, was er angerichtet und was Herr Krüger für eine Strafe verhängt hat. Herrn Krüger reicht’s und nun geht er Samet gezielt aus dem Weg.

Im Schwimmbad angekommen seufzt Herr Krüger ein weiteres Mal tief, als er den vollen Eintritt von 5,50 € zahlen muss und als Begleitperson keine Ermäßigung bekommt. Dabei entfaltet der Preis erst dann seine volle Wirkung, als Herr Krüger die Umkleidekabinen sieht und notgedrungen betritt, während ihn ein Hygieneschild hämisch angrinst.

Immerhin, das Wasser ist noch gechlort, auch wenn nicht ganz klar ist, ob das am Boden des Schwimmbeckens fehlende Fliesen sind oder nicht entsorgter Dreck ist, der am Beckenboden vor sich hin rottet. Auch Badeleitern gibt es noch – wenn auch natürlich verrostet und längst nicht mehr silberfarben glänzend. Man sollte es nicht für möglich halten, aber über einen Wasserpilz verfügt dieses Bad bei all seinen Unzulänglichkeiten trotzdem.

Frau Kracht und Herr Krüger ziehen ihre Bahnen und werden dabei nur wenig von ihren Schützlingen gestört. Ab und zu schwimmt Herr Krüger an eine seiner Schülergruppen heran, spritzt sie nass oder erschreckt sie, lässt aber unmittelbar wieder davon ab, als Samet, der offenbar immer noch nicht verstanden hat, was „Geh mir aus den Augen!“ bedeutet, in die Nähe kommt.

Während Herr Krüger und Frau Kracht plaudernd weiter ihre Bahnen ziehen, beobachten sie Josh, der ein Gesicht wie die maulende Myrte aus Harry Potter macht, und schließlich fragt: „Frau Kracht, kann ich gehen?“ „Wieso denn das?“ „Mir ist langweilig!“ „Natürlich nicht ...!“


Als wären das nicht genug Frusterlebnisse für einen Tag, beginnt es plötzlich – wen wundert’s – zu regnen, sodass alle das Becken verlassen und ihre Sachen ins Trockene zu bringen versuchen. Herr Krüger vermisst plötzlich eine seiner Socken und sucht erneut und widerwillig die Umkleide auf, wo er die Socke – natürlich im Dreck – findet.

Frustriert von diesem Tag und diesem runtergekommenen Freibad, möchte Frau Kracht einen Kaffee spendieren und schlendert zum seitlichen 'Pommes & Co.-Gebäude', von dem aus ihr eine Duftwolke vom ‚guten, alten Fett‘ entgegenwabert. Diesen bewusst ausblendend, kauft sie zwei Kaffee, zu dessen Genuss es jedoch nicht kommt, weil die Kaffeesahne im Kaffee ausflockt und nach einem Blick auf das Mindesthaltbarkeitsdatum der Grund offensichtlich wird: Der 5. März 2015 liegt einfach mal über vier Monate zurück!

Mittlerweile schüttet es und die Klasse verzieht sich unter einen Schirm, um den gröbsten Regenschauern zu entgehen. Kaum dort angekommen, beginnen die Kids in Windeseile damit, die noch nicht gewechselten Schuhe auf den Tisch zu stellen, Müll zu verteilen und wegen des Regens laut zu kreischen, kurz: das übliche Chaos!

Das ist zu viel – jetzt auch für Frau Kracht. Die beiden Lehrer tauschen einen kurzen Blick und verlassen mit den Kids diesen unwirtlichen Ort in der nächsten Regenpause. Es scheint, als sei der heutige Tag ein ‚dies ater‘ wie der Lateiner sagen würde, ein 'schwarzer Tag'. Aber wer versteht heutzutage noch Latein? Und weil Frau Kracht und Herr Krüger in einer bilingualen Klasse unterrichten, entschließen sich die beiden, das Freibad in Anlehnung an einen Songtitel als ‚bad, bad Bad‘ zu titulieren.

Freitag, 3. Juli 2015

Filmfestspiele



Es ist mal wieder Zeit für die Filmfestspiele. Ja, richtig, Filmfestspiele – an der Schule. Die Termine werden nicht konkret festgelegt und dennoch gibt es deutliche Indikatoren, wann die Spiele beginnen. Man erkennt diese Zeit mit geübtem Blick an vermehrt im Lehrerzimmer liegenden DVD-Hüllen, an dauerbelegten Filmräumen und bis über das Raster hinaus ausgefüllte Ausleihlisten der Medienwagen, die es an der einen oder anderen Schule immer noch gibt. Selbst die DVD-Player fühlen sich in diesen Zeiten manchmal überlastet und verweigern wegen Überhitzung ihre Arbeit. An moderneren Schulen ist die Internetleitung hoffnungslos überlastet.

Beinahe zeitgleich stellt sich auf Seiten der Schüler eine Trägheit ein, die nicht ausschließlich und nicht immer aufs Wetter zu schieben ist. Sie klagen über eine mangelnde Motivation, wetterbedingte Lähmungserscheinungen sowie cerebrale Überbeanspruchung. Ihrer Aussage zufolge sei ihr Hirn gänzlich gefüllt und bräuchte nun – ähnlich wie bei der Verdauung – erst einmal ausreichend Zeit, das neu erworbene Wissen zu verarbeiten und zu verknüpfen. Als Herrn Krüger dies wieder einmal erklärt wird, antwortet er mit einem ungläubigen Blick: „Der Mensch nutzt doch einen Großteil seiner Gehirnkapazitäten gar nicht, insofern ...“ „Was sind Kapazitäten, Herr Krüger?“

Was ist passiert? Ganz einfach. Die Sommerferien rücken näher. Kurz bevor die Zeugnisse jedoch vor der Tür stehen, tun dieses erst einmal diejenigen Schüler, die sich als Saisonarbeiter bewerben. Sie kommen fast zeitgleich mit den Spargelstechern. Auch sie haben das Ziel, etwas zu verdienen. Einziger Unterschied: Die Spargelstecher arbeiten auch mehr als einmal im Jahr. Schließlich gilt es den Lebensunterhalt zu verdienen, sodass sie von Job zu Job tingeln. Anders ist das bei Schülern. Sie besinnen sich urplötzlich, dass sie sich im vergangenen Schulhalbjahr so gut wie gar nicht beteiligt, fast nie Hausaufgaben gemacht und durchschnittlich zwei Stunden unentschuldigt gefehlt haben; da es für sie aber nicht ums Überleben geht, glauben sie, dass sie mit einer einmaligen Arbeit, die nicht selten lediglich in einen maximal zwei Minuten dauernden Vortrag münden, ihre Faulheit von einem kompletten Schulhalbjahr ausgleichen können.
Ebendiese Schüler sind es in der Regel auch, die auf die übermäßigen Strapazen des vergangenen Halbjahres hinweisen und unbedingt Erholung brauchen. Ebendiese Schüler sind es ferner, die am lautesten schreien, wenn es um die Auswahl der Filme geht, die in der scheinbar narrenfreien Zeit vor den Zeugnissen gesehen werden.

Läuft man also in diesen Tagen der Filmfestspiele durch die Gänge der Schule, stürmen die Kids am Stundenende nicht wie üblich mit Energie in die Pause, sondern kommen träge aus den Klassen getrottet, blinzeln mit den Augen, um sich erst einmal wieder an die schonungslos hell beleuchteten Flure zu gewöhnen und reden manchmal sogar über den gerade gesehenen Film. Einzig das Popcorn hat glücklicherweise noch keinen Einzug in die Schule gehalten, sodass man nicht wie im Kino mit klebrigen Fußsohlen ins Freie tritt. Herr Krüger befürchtet jedoch, dass mit dem immer stärker werdenden Anteil sozialpädagogischer Betreuung selbst das irgendwann üblich werden könnte – zumindest während der Filmfestspiele. Herr Krüger wischt den Gedanken lieber schnell weg, als er seine Klasse betritt. „Herr Krüger, gucken wir einen Film ...?“
So beginnen in diesen Zeiten vermutlich viele Gespräche, wenn ein Lehrer in die Klasse kommt. Und je nach Klasse und Lehrerkombination kann es passieren, dass die Schüler von einem Schultag nach Hause kommen, als hätten sie eine lange Kinonacht hinter sich – mit mindestens drei Filmen. Wie oft sich dabei gut gemachte Sachfilme ‚auf der Filmrolle drehen‘ und wie oft ein Action-Streifen läuft, ist natürlich nicht erhoben. Vermutlich ist das besser so!