Samstag, 19. März 2016

Auf die Knie!



Aus Schülersicht sind Lehrer wahrscheinlich häufig der Grund empfundener Ungerechtigkeiten, während die Schüler grundsätzlich unschuldig zu sein scheinen. Dennoch sind die Lehrer dummerweise in der Rolle, die Schüler regelmäßig beurteilen zu müssen. So ergibt sich zwangsläufig eine Situation, die nur zu Reibereien führen kann und ein Nachdenken über den richtigen Weg aus der Misere verlangt. Dass Faulheit und mangelhaftes Organisationsvermögen in diesem Zusammenhang zu schlechten Noten führen, scheint im Schuljahr 2015/16 besonders vielen Schülerinnen klargeworden zu sein.

Irgendwie – vermutlich über facebook – ist es den Mädels nämlich tatsächlich gelungen, sich so zu organisieren, dass sie an einem Strang ziehen, indem sie dasselbe Verhaltensschema anwenden: Auf die Knie fallen! Und das tun sie nicht nur an der Schule von Herrn Krüger, sondern bundesweit, wenn nicht inzwischen sogar europaweit ...!?

Natürlich hat Herr Krüger diesen Trend auch bemerkt, auch wenn vor ihm bisher keine Schülerin auf die Knie gefallen ist - leider. Nur, fragt er sich, vor wem lassen sich die Schülerinnen sonst nieder? Um keine der Schülerinnen bloßzustellen, spricht er niemand persönlich an, sondern befragt unauffällig Kolleginnen und Kollegen, stöbert heimlich in den Schülerakten und versucht –sollte ein Blick durch das Fenster in einen Unterrichtsraum möglich sein – einen Kniefall mit eigenen Augen mitzuerleben. Doch ... nichts! Es ist wie verhext. Sollte das Konzept etwa eine geheime Vereinbarung einiger Lehrer sein, in die Herr Krüger nicht eingeweiht ist und die nur Insidern des Lehrpersonals vorenthalten ist? Ein Mysterium.



Tatsache ist jedenfalls, dass dieser Verhaltenstrend existiert. Warum sonst sollten Herrn Krüger ständig Mädchen begegnen, deren Jeans an den Knien so dermaßen überstrapaziert zu sein scheinen, dass sie dort gerissen sind und ihre Kniescheiben freigeben? Es kann keine andere Erklärung geben, denn kaum jemand wird seine neu gekauften Jeans freiwillig wieder so kaputtreißen, dass die Haltbarkeit automatisch auf mindestens die Hälfte der normalen Lebensdauer verkürzt wird.

Stutzig macht Herrn Krüger nur, dass er – seit ihm diese ‚Kniefall-Vereinigung‘ aufgefallen ist – immer häufiger auch Mädel sieht, deren Hosen auch oberhalb des Knies Querrisse zeigen. Sollte es noch schlimmer sein als Herr Krüger ahnte? Gab es womöglich auch noch Situationen, in denen Peitschen zum Einsatz kommen und geübte Peitschenschwinger das Martyrium auf die Oberschenkel ausdehnten? Und nehmen die jugendlichen Mädchen auch das in Kauf – alles für bessere Noten?



Herr Krüger versteht die Schulwelt nicht mehr. Was ist ihm da entgangen? Dummerweise sind gerade Ferien, sodass er auch keinen Kollegen ansprechen kann – Lehrer sind in den Ferien eigentlich immer verreist. In seiner Verzweiflung stürzt sich Herr Krüger ins Internet, landet aber mit den Suchbegriffen „Kniefall“ und „Jeans“ bei Bildern des Alt-Bundeskanzlers Willy Brandt, Heiratsanträgen und trinkendem Vieh an irgendwelchen Wasserstellen.

Keine Schülerin, die vor einem Lehrer kniet und um bessere Noten fleht. So wie es aussieht, bleibt Herrn Krüger nichts anderes übrig, als auf das Ende der Ferien zu warten, um dann einen Kollegen oder eine Kollegin heimlich zu fragen, was es mit diesen zerrissenen Jeans auf sich hat ...

Sonntag, 1. November 2015

Von wegen Idylle



Kikerikiiiii ... Herr Krüger erwacht vom Hahnenschrei in der Idylle Brandenburgs. Beim Blick aus dem Fenster sieht er auf einen See, der glatt den ruhigen Morgen widerspiegelt. Die Morgensonne wirft ihr rotes Licht auf die Baumwipfel der Kastanien, als Herr Krüger die frische Morgenluft in sein Zimmer lässt.

Und dennoch: Der Schein trügt. Die Ruhe ist nur von kurzer Dauer, denn - Herr Krüger ist immer noch auf Klassenfahrt.

Er fragt sich was der heutige Tag wohl bringen mag, denn so still und starr wie der See ruht, war es bisher nicht - im Gegenteil. In den ersten zwei Tagen ihrer 90-Stundenschicht hatten Frau Kracht und Herr Krüger schon alle Hände voll zu tun:

Streithähne mussten getrennt werden, weil sie sich nicht einigen konnten, wer zuerst da war und das vermeintlich schönere Bett bekommt, die Betten mussten bezogen werden, was nicht ganz einfach ist, wenn nicht alle Schüler wissen, dass drei Teile zum Bettzeug gehören und man sogenannte Bettbezüge über Bettdecken und Kopfkissen zieht.



Im Laufe der Zimmerrundgänge wurde ebenfalls schnell klar, dass Süßigkeiten und Chips in etwa die Hälfte des Gepäckvolumens ausmachen und dass pubertierende Teenager kein Schwarzpulver brauchen, um ein Zimmer so umzugestalten, dass man denkt, eine Bombe hätte eingeschlagen.

Sämtliche Textilien sind binnen kürzester Zeit gleichmäßig, wenn auch nicht ordentlich über das Zimmer verteilt und erwecken dabei schnell den Eindruck, als wären sie gerade aus einem Aktkleidercontainer gekippt worden, wobei die Socken in der Regel so aussehen, als seien sie zum Fahrradputzen benutzt worden und einen Gestank verbreiten, der mitunter an die Stinkbomben der 90er Jahre erinnern, die Jugendliche damals in Drogerien gekauft und in der Schule ‚geworfen‘ haben. Leere PET-Flaschen lockern das Zimmer-Bild auf und bringen Transparenz sowie eine neue Form ins Bild.



Obwohl Herr Krüger eine Zwischenreinigung durch die Schüler angeordnet und umgesetzt hat, sind Flur und Zimmer keine 24 Stunden später erneut komplett verwüstet. Die Aktion ‚Grundreinigung‘ ist gescheitert. Bei einem Blick in das eine oder andere Zimmer, den Frau Kracht und Herr Krüger den Tag über wagen, biete sich ihnen ein Bild des Grauens: Bettzeug liegt auf dem Fußboden oder fliegt durch die Gegend, Socken verursachen mitunter nicht nur einen höllischen Gestank, sondern ein Beißen in den Augen, Jungs verkriechen sich in Mädchenzimmern und verstecken sich so schlecht wie ein Vogel Strauß, wenn er seinen Kopf in den Sand steckt. Parfümwolken mischen sich mit unbehandelten Schweißausdünstungen.



Mit der stillen Hoffnung auf Besserung geben Herr Krüger und Frau Kracht bekannt, den täglichen Gang zum Wasser zu betreuen. Die Folge ist dass die gesamte Klasse wie ein Ameisenhaufen wild durcheinanderrennt, weil die meisten ihre Sachen zusammensuchen, die sich jedoch über mindestens drei Zimmer verteilt haben. Als sich nach einer geschlagenen halben Stunde die Meute auf den Weg zum nahe gelegenen See macht, setzt sich Heidi neben Herrn Krüger und fragt: „Herr Krügaaaa ... sind da Füsche?“ Man hört förmlich wie sich die gesprochenen Rechtschreibfehler in das Lehrerherz von Herr Krüger bohren, doch er setzt sich darüber hinweg und malt stattdessen finstere Geschichten über Fischschwärme mit kleinen, aber sehr scharfen Zahnleisten, die nicht lebensgefährlich sind, aber immerhin doch schmerzhafte Schürfwunden und messerscharfe Schnitte hinterlassen können.

Laut aufkreischend rennt Heidi zu einer Gruppe von Mädchen und erzählt aufgebracht davon. Die Mädchen lassen. Sie merken schnell, dass Herr Krüger Heidi mächtig aufs Glatteis geführt hat ...



So reihen sich in kurzen Intervallen sinnlose Fragen, abwegige Ideen und kleine gruppendynamische Katastrophen aneinander bis die beiden Klassenlehrer ein Fazit ziehen: Ein von Mückenstichen geplagter, letztlich abgeholter Schüler, ein wegen eines Wespenstichs wimmernder anderer Schüler, eine lange Schürfwunde am Arm von Schüler drei, Dauerzickenterror des einen Mädchenzimmers – mitunter mit ansteckender Wirkung auf Nachbarzimmer, ein zerbrochenes Bett, ein zerlegter Mülleimer sowie eine klasse komplett ausgelaugter Schüler.

Bei so einem Fazit wird Herrn Krüger und Frau Kracht schnell klar, wie viele Fehler sie gemacht haben, sodass sie beschließen, noch eine Sonderklassenfahrt zu machen. Selbstverständlich bezahlen die beiden Lehrer die gesamte Fahrt, denn den Schülern kann man das natürlich nicht zumuten. Außerdem - das steht bereits fest – haben die beiden ein 4-Sterne-Hotel gebucht, in dem täglich ein Zimmerservice die Spuren des Vortages und der Nacht beseitigt. Selbstverständlich können die Schüler die Bettenverteilung selbst bestimmen, natürlich auch gemischgeschlechtlich. Ein McDonalds sowie ein Lidl sind auch in der Nähe, sonst hätten Herr Krüger und Frau Kracht das Hotel nicht gebucht. Und sollte es immer noch Gründe finden lassen, die ein Dauermeckern zur Folge haben (und solche Gründe finden sich ganz bestimmt), wird jedem Schüler eine kostenlose Rückreise zugesichert, falls er die Fahrt vorzeitig abbrechen möchte. Soweit die Theorie ...

Sonntag, 27. September 2015

Zickenalarm & Wildwechsel



Herr Krüger kann und will es eigentlich gar nicht wahrhaben, dass für ihn mit diesem Schuljahr wieder einmal ein neuer Schulabschnitt beginnt. Er kennt das schon und ihm schwant selten Gutes, wenn er sich dem 8. Jahrgang nähert, weil er diese Erfahrung bereits ein paar Mal machen musste. Welche Erfahrung? Die Pubertät natürlich!

Sie zeigt sich zwar zum Glück in zahlreichen Ausprägungen, die man dann irgendwann schon kennt, bringt aber auch immer wieder neue Konstellationen und ethologische Ausprägungen hervor, die Herrn Krüger und seine Kollegin Frau Kracht dann doch immer wieder in die Fassungslosigkeit führen.

In diesem Jahr erreicht das Zickentum einen neuen Höhepunkt. Obwohl die Klasse von Frau Kracht und Herrn Krüger lediglich neun Mädchen hat und von vier von ihnen solche Mädchen sind, die man sich als Lehrer wünscht (fleißig, interessiert, regelkonform und mit einer wunderbar sauberen Handschrift), schaffen es die anderen fünf Girlies, einen dermaßen überdimensionalen Zickenterror zu erzeugen, dass sie kurz vor schulischen Maßnahmen stehen. Warum das Ganze? Nur wegen der Zimmeraufteilung für die bevorstehende Klassenfahrt.

Selbstverständlich glauben die Megazicken, dass sie mit vorlautem Mundwerk und lautstarken Protesten ihr Ziel erreichen, haben aber dabei dummerweise die Argumentation vergessen. Und so folgen weder Frau Kracht noch Herr Krüger ihren Forderungen.

Als es sich dann durch andere, unvorhersehbare Umstände ergibt, dass die vier Mega-Zicken doch noch in einem Zimmer landen, danken Sie es ihren beiden Lehrern mit weiteren Zickereien, Aufmüpfigkeiten, regelmäßigen Vorwürfen, warum sie Dinge so und nicht anders entscheiden, Respektlosigkeiten, Dauergestöhne, sobald sie aufräumen, saubermachen oder Aufgaben übernehmen sollen und und und.



In diesem Zusammenhang stellt sich heraus, dass mit beginnender Nacht- und Zimmerruhe, die Herr Krüger und Frau Kracht auf 22 Uhr festgesetzt haben, ein reger Wildwechsel zwischen den Jungs- und Mädchenzimmern einstellt. Die beiden Kollegen hatten gehofft, dass mit einem Rundgang durch alle Zimmer zur Nachtruhe und einer entsprechenden Ansage alles geklärt sei. Weit gefehlt. Die Ansage, der Gute-Nacht-Gruß und das Schließen der Tür von außen scheint für die pubertäts(un)gesteuerten Jungs und Mädels der Startschuss für einen regen Wildwechsel zu sein. Da die Räumlichkeiten so liegen, dass das Zickenterror-Zimmer und das der willigen Jungs an den jeweils entgegengesetzten Enden des Ganges liegen. Wie sich das für einen anständigen Wildwechsel gehört, gehen die beiden Klassenlehrer auf die Pirsch, wenn auch zunächst nur akustisch hinter verschlossener Tür, nehmen aber deutliches Fußgetrappel wahr, das die Anziehungskraft des jeweils andersgeschlechtlichen Chaotenzimmers belegt. Zwischen 15 und 30 Mal müssen Herr Krüger und Frau Kracht deshalb ‚vor die Tür‘, um die Kids zur Rede zu stellen. Das Ausredenangebot ist mannigfaltig, allerdings gleichermaßen einfältig:

·         Marlon: „Ich muss Marie noch das Duschgel zurückgeben!?“

·         Melina: „André wollte mir vorhin noch was ganz wichtiges sagen.“

·         Nathalie: „Marcel hat noch meine Haarklemme, die brauche ich dringend ...“ usw.

Nachdem die Versuche der Jungs, sich in den Mädchenzimmern zu verstecken, kläglich gescheitert sind, weil die Kids den Scharfsinn von Sherlock Krüger unterschätzt haben, der mit scharfem Blick hinter die Betten geguckt, das Wackeln der Schranktür bemerkt und das Klappern der Duschtür gehört und die falschen Socken (siehe Bild) erspäht hat, sodass das Unterfangen, die Nacht bei den Mädchen zu verbringen, gescheitert ist.

Selbstbewusst und vorlaut wie die Klasse jedoch ist, haben die am heftigsten pubertierenden Jungs und Mädchen jedoch nicht versäumt, für eine potentielle nächste Klassenfahrt Wünsche nach gemischtgeschlechtlichen Schlafzimmern zu äußern. Fraglich ist nur, ob Frau Kracht und Herr Krüger überhaupt noch eine Klassenfahrt mit dieser Gruppe machen möchten – nach diesen Querelen!?

Sonntag, 6. September 2015

Preview



Sommerferien. Auch Herr Krüger hat Urlaub gemacht und ihn sichtlich genossen. Obwohl er noch ein paar Tage nachgearbeitet hat, weil ja doch immer so viel liegenbleibt und wegsortiert werden muss, hat er problemlos in den Ferienmodus gefunden und sich diesem voll und ganz hingegeben.
Nach vielen Jahren der Übung hat er es gut im Griff, in Gesprächen zur Urlaubszeit und über die lange Ferienzeit der Lehrer, verächtliche, meist Neid ausdrückende Sprüche, Anspielungen o. ä. zu parieren. Blitzschnell zückt Herr Krüger in solchen verbalen Duell-Herausforderungen seine scharf geschliffene Zunge für einen entsprechenden Schlagabtausch. Das geht mit zwei drei Schlägen seiner Klinge gut und spätestens der Verbalhieb, ob das jeweilige Gegenüber tauschen und in der Schulzeit täglich ca. 150 Schülern ausgesetzt sein möchte, reicht aus, um den Gesprächspartner kleinlaut zu machen und verbal zu Boden zu strecken, sodass dieser seinen Säbel fallen lässt.

Es mag eine Berufskrankheit sein, dass Lehrer in den Ferien auf Jugendliche anders reagieren als Menschen mit anderen Jobs. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb Herr Krüger die Kinder im Schwimmbad während der Ferien auch leichter ertragen konnte als vielleicht manch anderer. Vielleicht lag es aber auch an der Tatsache, dass Herr Krüger im Ausland und nicht in Berlin war, denn irgendwann ist der Urlaub vorbei und jetzt ... steht der Wiedereinstieg unmittelbar bevor.

Herr Krüger fährt zum ersten Mal seit seiner Rückkehr quer durch die Stadt, weil er zu einer Party eingeladen ist. Als aufmerksamer Beobachter fallen ihm plötzlich am Straßenrand ein paar Jugendliche auf, vornehmlich Mädchen, die irgendetwas Komisches haben. Zunächst kommt Herr Krüger nicht drauf, doch dann ... Alle haben eine blass-bunte Haarfarbe. Ob es blassblau oder blassgrün sein soll, ist nicht deutlich erkennbar, schön ist allerdings etwas anderes.
Stirnrunzelnd fährt Herr Krüger weiter, nachdem ihm aufgefallen ist, dass immer mehr solcher Schüler auf der Straße laufen, die – wie er nach ein paar hundert Metern feststellt – alle aus einer bestimmten Straße kommen. Vielleicht eine verlorene Wette auf einer Schulveranstaltung? Herr Krüger wird es nicht erfahren, denn er ist verabredet. In den nächsten Tagen fallen ihm aber immer wieder Mädchen mit Haaren in den damals typischen blassen Farben auf, die die Trabis in der DDR immer hatten, weil für knallige Farben offenbar nicht genug Farbe da war: hellblau, hellgrün ... sogar hellrosa hat er einmal gesehen. Sollte das womöglich ein Trend sein, dem sich zahlreiche Jugendliche Teenager bereitwillig hingeben? Hoffentlich nicht, schoss Herrn Krüger durch den Kopf, denn er hatte Sorge, künftig stets eine Handvoll dieser Girlies im Zombielook in seinen Lerngruppen um sich haben zu müssen.
Oder sind das alles nur Friseurunfälle, die auf einem Fehler der Haarfärbeindustrie beruhen? Wird es in Kürze eine Schwämme von Klagefällen gegen Friseure geben oder gegen den Hersteller einer bestimmten Tönung? Aber nein, es scheint doch gewollt zu sein, so selbstbewusst, wie all diese blassbunten Geschöpfe auftreten. Herr Krüger kann es nicht fassen, ahnt aber Schlimmes, wenn er an das neue Schuljahr denkt, das in Kürze beginnen wird. Wird es noch andere Überraschungen geben? Wird Herr Krüger Dinge im Ferienalltag übersehen haben, die ihm womöglich zum Verhängnis werden?

Auch das Ohrstöpselverhalten droht sich zu verändern, wie Herr Krüger mit geschultem Blick bei seinen nächsten Supermarkteinkäufen beobachtet. Nachdem die Youngsters bisher immer mit einem Ohrstöpsel rumgerannt sind, scheint es mittlerweile auch auf dem anderen Ohr zu kalt geworden zu sein, denn in den Standardsituationen zwischenmenschlicher Kommunikation in Kassen- und anderen Servicebereichen, nehmen die Youngsters gar keinen Stöpsel mehr aus dem Ohr. Die jeweiligen Dienstleister trauen sich kaum noch die zu bezahlende Summe zu nennen, zumal die meisten während des Kassierens ungeniert weiter telefonieren und im Zweifelsfalle ein lautes „wie viel?“ an den Kopf werfen.
Seit es Ohrstöpsel gibt, scheint sich das Hörverhalten sowieso verändert zu haben, denn immer mehr Menschen reden in der Öffentlichkeit so laut, dass man meint, etliche würden unter Schwerhörigkeit leiden. Denn – fällt Herrn Krüger auf – er kennt mehr private Schicksale und Zustände als ihm lieb ist, weil die Menschen grundsätzlich auf der Straße telefonieren und sich angewöhnt haben, alle Passanten im Umkreis von 200m teilhaben zu lassen. Aber – will man das?
Fazit: Die Aussichten für das kommende Schuljahr sind düster. Aber – Abwarten! Vielleicht gibt es ja doch nicht so viele zugepfropfte Trabifrisurenköpfe unter den Jugendlichen, wie es Herr Krüger befürchtet.

Montag, 13. Juli 2015

Bad, bad Bad



Da denkt man, es ist so gut wie vorbei und der Rest ist nur noch reine Formsache, aber dann ..
Das Schuljahr ist fast um, Herr Krüger sowie alle anderen Kollegen und Schüler bereits auf der Zielgeraden, als im Rahmen der letzten Schultage ein Wandertag ansteht. Die Klasse hat sich entschieden, ins Schwimmbad zu gehen. Kein Problem, denken sich Herr Krüger und seine Kollegin Frau Kracht, auch nicht, als sich die Schüler fürs Freibad entscheiden. Doch als der Himmel bereits am Vorabend dunkelgrau erscheint und es am Tag selbst regnet, steht für die beiden Klassenlehrer fest: Wir disponieren um und gehen ins Hallenbad.

Nur die Schüler haben natürlich nicht mitgespielt und mehrheitlich entschieden, dennoch ins Freibad zu gehen. Nun gut, Herr Krüger und Frau Kracht zeigen sich flexibel und schlagen den Weg Richtung Freibad ein, wobei Herr Krüger mit dem Rad unterwegs ist und neben einigen Schülern herfährt, sich unterhält und mit ihnen rumwitzelt. Als Herr Krüger mal ein bisschen mehr in die Pedale tritt, um zu einer anderen Schülergruppe vorzustoßen, läuft ihm Samet unvermittelt direkt vors Rad. Um ihn nicht über den Haufen zu fahren, weicht Herr Krüger aus, strauchelt und ... steigt schließlich über den Lenker ab! – Na toll!

Genervt und sauer auf Samet, der sich nahezu gänzlich unkontrolliert zu bewegen scheint, versucht Herr Krüger, sich aus den Speichen seines Fahrrades zu befreien, sammelt seine Knochen zusammen und begutachtet seine Blessuren. Fazit: Ein Fahrrad im Dreck mit (hoffentlich) keinen weiteren Schäden, eine beschmutzte Hose, eine blutende Wunde an der Hand (natürlich genau da, wo man am häufigsten dranstößt, wie Herr Krüger seitdem weiß), feinste Hautabschürfungen am Oberschenkel sowie an der Wade - und zwar jeweils die meist minimalen Hautabschürfungen, die am meisten wehtun.

Herr Krüger schnaubt leise vor sich hin, während Samet immerhin zwar auf die Idee kommt, sich ungeschickt zu entschuldigen, im selben Atemzug jedoch erneut übergriffig wird, indem er Herrn Krüger anfasst und mit einem „Zeigen Sie mal ...“ so tut, als sei es nur halb so wild. „Geh mir aus den Augen .... und zwar für mindestens den restlichen Tag, wenn nicht sogar für den Rest des Schuljahres!“ Samet trollt sich, wenn auch nur für fünf Minuten, bis er schon wieder vergessen hat, was er angerichtet und was Herr Krüger für eine Strafe verhängt hat. Herrn Krüger reicht’s und nun geht er Samet gezielt aus dem Weg.

Im Schwimmbad angekommen seufzt Herr Krüger ein weiteres Mal tief, als er den vollen Eintritt von 5,50 € zahlen muss und als Begleitperson keine Ermäßigung bekommt. Dabei entfaltet der Preis erst dann seine volle Wirkung, als Herr Krüger die Umkleidekabinen sieht und notgedrungen betritt, während ihn ein Hygieneschild hämisch angrinst.

Immerhin, das Wasser ist noch gechlort, auch wenn nicht ganz klar ist, ob das am Boden des Schwimmbeckens fehlende Fliesen sind oder nicht entsorgter Dreck ist, der am Beckenboden vor sich hin rottet. Auch Badeleitern gibt es noch – wenn auch natürlich verrostet und längst nicht mehr silberfarben glänzend. Man sollte es nicht für möglich halten, aber über einen Wasserpilz verfügt dieses Bad bei all seinen Unzulänglichkeiten trotzdem.

Frau Kracht und Herr Krüger ziehen ihre Bahnen und werden dabei nur wenig von ihren Schützlingen gestört. Ab und zu schwimmt Herr Krüger an eine seiner Schülergruppen heran, spritzt sie nass oder erschreckt sie, lässt aber unmittelbar wieder davon ab, als Samet, der offenbar immer noch nicht verstanden hat, was „Geh mir aus den Augen!“ bedeutet, in die Nähe kommt.

Während Herr Krüger und Frau Kracht plaudernd weiter ihre Bahnen ziehen, beobachten sie Josh, der ein Gesicht wie die maulende Myrte aus Harry Potter macht, und schließlich fragt: „Frau Kracht, kann ich gehen?“ „Wieso denn das?“ „Mir ist langweilig!“ „Natürlich nicht ...!“


Als wären das nicht genug Frusterlebnisse für einen Tag, beginnt es plötzlich – wen wundert’s – zu regnen, sodass alle das Becken verlassen und ihre Sachen ins Trockene zu bringen versuchen. Herr Krüger vermisst plötzlich eine seiner Socken und sucht erneut und widerwillig die Umkleide auf, wo er die Socke – natürlich im Dreck – findet.

Frustriert von diesem Tag und diesem runtergekommenen Freibad, möchte Frau Kracht einen Kaffee spendieren und schlendert zum seitlichen 'Pommes & Co.-Gebäude', von dem aus ihr eine Duftwolke vom ‚guten, alten Fett‘ entgegenwabert. Diesen bewusst ausblendend, kauft sie zwei Kaffee, zu dessen Genuss es jedoch nicht kommt, weil die Kaffeesahne im Kaffee ausflockt und nach einem Blick auf das Mindesthaltbarkeitsdatum der Grund offensichtlich wird: Der 5. März 2015 liegt einfach mal über vier Monate zurück!

Mittlerweile schüttet es und die Klasse verzieht sich unter einen Schirm, um den gröbsten Regenschauern zu entgehen. Kaum dort angekommen, beginnen die Kids in Windeseile damit, die noch nicht gewechselten Schuhe auf den Tisch zu stellen, Müll zu verteilen und wegen des Regens laut zu kreischen, kurz: das übliche Chaos!

Das ist zu viel – jetzt auch für Frau Kracht. Die beiden Lehrer tauschen einen kurzen Blick und verlassen mit den Kids diesen unwirtlichen Ort in der nächsten Regenpause. Es scheint, als sei der heutige Tag ein ‚dies ater‘ wie der Lateiner sagen würde, ein 'schwarzer Tag'. Aber wer versteht heutzutage noch Latein? Und weil Frau Kracht und Herr Krüger in einer bilingualen Klasse unterrichten, entschließen sich die beiden, das Freibad in Anlehnung an einen Songtitel als ‚bad, bad Bad‘ zu titulieren.