Donnerstag, 28. Februar 2013

Verzerrte Stunden - Alltag heute?



Schule und Unterricht könnten so schön sein ... wenn die Lehrer nicht wären. Ob viele Schüler solche Gedanken haben? Wer jetzt an seine eigene Schulzeit zurückdenkt und diese Frage für indiskutabel hält, hat lange nicht mehr einer Durchschnittsstunde in der deutschen Schule beigewohnt. In einer solchen Stunde – z. B. bei Herrn Krüger – könnte er ansonsten in etwa folgendes erleben:

Es klingelt. Zwei oder drei Schüler einer neunten Klasse spielen auf dem Gang Fangen. Nein, sie sind nicht zu alt dafür, zumindest merken sie das nicht. Stattdessen wird laut kreischend - so, dass es möglichst für alle hörbar ist und ordentlich hallt - zwischen den Säulen hin- und hergelaufen; der nahende Herr Krüger, der noch im Lehrerzimmer aufgehalten wurde, wird gar nicht bemerkt. Er hingegen kann gar nicht anders, als sie zu bemerken, betritt jedoch davon unbeirrt die Klasse und schließt die Tür. Hätten die Schüler nicht in immerhin zweieinhalb Jahren gemerkt, dass Herr Krüger mit dem Schließen der Tür seinen Unterricht beginnen will, würden die Schüler weiterhin vor der Klasse ihr Fangspiel fortsetzen.

So aber reißen sie die soeben von Herrn Krüger geschlossene Tür wieder auf – selbstverständlich ohne sie nach sich zu schließen. Warum auch? So fordern die verspätet eintreffenden Schüler also schon das zweite Mal die Aufmerksamkeit des Lehrers mit der ersten Ermahnung, die Tür zu schließen. Verwundert, dass die Tür sich nicht von alleine geschlossen hat, guckt der letzte, angesprochene Schüler zuerst zur Tür, dann zu Herrn Krüger und ist zunächst einmal ratlos. Schon hört man erneut Herrn Krügers Stimme: „Kommt noch einer oder warum hast du die Tür aufgelassen?“ Inzwischen hat sich der angesprochene Schüler aus seiner Lethargie befreien können und findet eine neue Form des Ausdrucks: Er stöhnt unendlich genervt ob der strapaziösen Bemerkung, dass er nun noch einmal zurückgehen muss. Nachdem diese unendlich anstrengende Tätigkeit endlich erledigt ist, trödelt der Betroffene langsam zu seinem Platz. Es sind mittlerweile drei Minuten vergangen, wofür die an den Plätzen sitzenden äußerst dankbar sind, bleibt so doch noch weitere Zeit zum Quatschen. Herr Krüger hat vor einiger Zeit eingeführt, dass die Schüler zur Begrüßung aufstehen, ohne außer Acht zu lassen, auf die Basics der Höflichkeit hinzuweisen: Blickkontakt, kein schlaffes Anlehnen oder auf den Tisch stützen, keine Hände in den Hosentaschen, kein Kaugummi im Mund, keine Mützen oder Schals oder Sportsachen oder Handtaschen oder oder oder auf dem Tisch ...

Was der Krüger aber auch alles will ... endlich hat er mit seinem Blick die Lage soweit eingefangen, dass er glaubt, ein lautes „Guten Morgen“ in die Klasse rufen zu können, als erneut die Tür aufgerissen wird. Zwei Mädchen kommen herein. Eine entschuldigt sich nicht, die andere blubbert ein schnelles „ich war noch auf dem Klo ...“ in Richtung Lehrerpult und schließt immerhin ausnahmsweise die Tür. Beide huschen aber im Übrigen ohne auf eine Reaktion zu warten, an ihren Platz. Herr Krüger erinnert sich, dass er die beiden in der großen Pause wild knutschend vor einer der Nachbarklassen in einiger Entfernung auf dem Flur aus dem Augenwinkel bemerkt hatte. – Alles klar, das ist natürlich wichtiger! Die halbe Klasse lacht, hat sie doch die Mimik von Herrn Krüger bemerkt, der eine kurze Kuschelpose nachstellt, während die Mädels durch den Gang nach hinten huschen und ihn nicht sehen. Manchmal kann sich das auch ein Lehrer nicht verkneifen, zumal er aufpassen muss, nicht das Unterrichtsziel aufzugeben, weil die Stunde schon am Einstieg und einer halbwegs vernünftigen Begrüßung scheitert.

Nachdem nun mittlerweile acht Minuten verloren gegangen sind, ist nun auch endlich eine Begrüßung möglich, die – von Herrn Krüger initiiert - natürlich nur von den Strebern erwidert wird. Alle anderen Schüler warten nur gelangweilt, dass diese völlig überflüssige Zeremonie über die Bühne gegangen ist, um sich dann möglichst geräuschvoll zu setzen und wieder in die üblichen Privatgespräche einzusteigen. „Ich möchte heute nach einer kurzen Wiederholung mit euch über das Problem reden ...“, beginnt Herr Krüger, da geht bereits Nadines Finger hoch. Aus der Intention der Höflichkeit nimmt Herr Krüger Nadine ran: „Fällt heute die 7. Stunde aus?“ Die Schüler, die sich gerade gedanklich auf das zu erwartende Problem eingestellt haben, lachen, weil Nadine es offenbar nicht gemerkt hat und damit natürlich den Faden, den Herr Krüger zu spinnen im Begriff war, rücksichtslos und unüberlegt abgeschnitten hat. Herr Krüger ignoriert nun doch Nadines Frage und wiederholt seine Einleitung: „Also, nochmal: Ich möchte heute mit euch ...“ Nadine hebt entrüstet die Hand. Sie dreht sich Zustimmung und Publikum suchend in die Klasse: „Hä ... ich hab doch ganz normal gefragt, warum antwortet der mir nicht?“ Sie versteht es anscheinend wirklich nicht, was zwei, drei Mitschüler der unmittelbaren Nachbarschaft merken und sich sofort bereitwillig auf den Nebenschauplatz begeben. Herr Krüger wirft eine Ermahnung in Richtung von Nadines Sitznachbarin: „Hey, nicht jetzt.“ „Aber“, entgegnet Nadines Nachbarin, „sie hat mich doch was gefragt ...“

Herr Krüger gibt auf, verlässt mit seinen Augen den Schauplatz rund um Nadine und wendet sich wieder dem übrigen Plenum zu: „Bitte erledigt die Aufgaben 5 und 6 des Arbeitsblattes aus der letzten Stunde.“ Sofort setzt ein verbales Treiben ein, was darauf schließen lässt, dass sogar das Hervorholen des Arbeitsblattes erst einmal mit dem Nachbarn diskutiert werden muss. Schließlich hat der Lehrer nichts zu sagen, sondern kann maximal Aufgaben anbieten, die man bearbeiten kann. Der Rest der Stunde scheint nur noch auf der Basis der Freiwilligkeit abzulaufen, wobei sich die Schüler an folgenden Grundsätzen zu orientieren scheinen:

  1. Oberstes Recht der Schüler während der Schulzeit ist es, zu jedem Zeitpunkt ungehindert zu kommunizieren.
  2. Ferner hat jeder Schüler das Recht, jede Anordnung und jede Aufgabe einer Lehrkraft in Frage zu stellen.
  3. Die Pflichten der Schüler beschränken sich auf die physische Anwesenheit. Weitere Pflichten werden nur bei Wohlwollen von Schülerseite und dann auch eher als ein Entgegenkommen, denn als Pflicht erfüllt.

Na dann: Willkommen in der Schule 2013!

Mittwoch, 20. Februar 2013

Entschuldigungen 2013




Immer wieder habe ich mir überlegt, ob man sie nicht auch einmal veröffentlichen müsste, die Entschuldigungen, denn auch hier haben sich die Zeiten geändert und die Bandbreite möglicher Formen und Inhalte ist um ein Beträchtliches gewachsen.

Grundsätzlich muss dabei zwischen den verbalen Kreationen der Jugendlichen und den schriftlichen Entschuldigungen unterschieden werden.

Dass die mündlichen Entschuldigungen von den Jugendlichen selbst kommen – falls überhaupt – liegt auf der Hand. Über die Ursachen, warum von einigen gar nichts kommt, wenn sie nach dem Stundenklingeln den Klassenraum betreten, regt zu Mutmaßungen an: Ob der Schüler – sollte er verschlafen haben – noch immer in der Aufwachphase ist? Ob es an der Einstellung des Schülers liegt, dass er ja jetzt da sei und was es da noch zu sagen gäbe? Ob er so höflich ist, dass er nicht den begonnenen Unterricht stören möchte und sich deshalb wortlos an seinen Platz setzt? Man weiß es nicht.

Was den Inhalt betrifft, so gibt es die Basics „Ich habe verschlafen“, „Mein Bus ist ausgefallen“, „Meine Mutter hat mich zu spät geweckt“ usw. Ein bisschen ausgefallener wird es bei den komplizierteren Erklärungen: „Ich war schon pünktlich losgegangen, als mir einfiel, dass ich mein Plakat, das ich für das Referat brauche, weil ich es ja letzte Woche schon vergessen habe, noch zu Hause liegt. Und jetzt musste ich mich halt entscheiden, ob ich es noch hole und dadurch zu spät komme oder ob ich ohne Plakat losgehe, was mir dann aber bei meinem Referat fehlen würde, was hätten SIE denn gemacht?“ – Spätestens bei einer solchen Erklärung, ist für die eigentliche Unterrichtsstunde ein ‚Reset‘ nötig.


Anders liegt die Sache bei schriftlichen Entschuldigungen. Diese haben unterschiedlichen Ursprung: Entweder kommen sie von den Eltern, von einem Arzt, einer Einrichtung oder einem Veranstalter, aber auch die Polizei betiligt sich mittlerweile tatkräftig an den Bittstellungen, die Schüler vom Unterricht freizustellen. Um die Eltern nicht zu überlasten, sind einige Schüler dazu übergegangen, den Text selbst zu verfassen und das fertige Werk  dann nur noch zur Unterschrift vorzulegen. 
Verblüffend ist immer wieder das Format, in dem man schriftliche Entschuldigungen erhält. Hier reicht die Bandbreite vom perfekt mit Briefkopf ausgedruckten Schriftstück über die zerknitterte Blockseite bis hin zu abgerissenen Notizklotzzetteln – mit und ohne Fransen. Die Bescheinigungen der Ärzte sind mittlerweile zum Teil so klein geworden, dass sie vom verbamteten Lehrer, der sich ja dem Klischee zufolge vorrangig dem Lochen und Abheften widmet, kaum noch bearbeitet werden können.

So sammelt der verwaltende Klassenlehrer emsig wie eine Biene die verschiedenen Entschuldigungsformate und Inhalte – von denen man manchmal glaubt, dass sie aus 1001 Nacht stammen – und blicken am Ende eines Schulhalbjahres auf ein buntes Potpourri wilder Formate. Die Gründe der Entschuldigungen, die man so liest sind oft abenteuerlich, die Krönung dessen, was ich jedoch jemals gelesen habe war die Begründung, dass das Kind einen Tag gefehlt hat, weil sein Fahrrad einen Platten hatte.

Dienstag, 19. Februar 2013

Hä?



Wer sich mit der deutschen Sprache beschäftigt, Professor für Germanistik oder eben Lehrer ist, der kennt sich mit Satzanfängen aus. Der geübte Schreiber weiß, diese flexibel und abwechslungsreich einzusetzen. Wer das oft noch nicht weiß, muss es erst lernen – z. B. in der Schule. Ob nun bei der ‚Vorgangsbeschreibung‘ oder zum Thema ‚Spannende Geschichten schreiben‘ – Satzanfänge sind ein fester Bestandteil des Rahmenlehrplans für das Fach Deutsch.

Wer die kreativen Verbalkonstrukte Heranwachsender zu einem dieser Themenbereiche einmal gelesen hat, kennt den Lieblingssatzanfang eines jeden Schülers: „Und dann ...“ Ein sagenhaftes Konstrukt höchster Genialität, passt diese Einleitung doch quasi bei jedem Satz. Aber – warum sind die Lehrer dann selten damit zufrieden?

Anders stellen sich die Satzanfänge im täglichen Sprachgebrauch dar. So ist seit einigen Jahren zu beobachten, dass sich der Satzanfang „Hä ...“ mehr und mehr in der Schülerschaft durchsetzt. Unabhängig von dem synonymen Gebrauch mit dem hoffnungslos veralteten „Wie bitte?“ lässt sich das „Hä“ auch für den viel zu langen und damit anstrengend auszusprechenden Satz „Mir ist da noch etwas unklar“ einsetzen. Ärgerlich ist nur, dass die Lehrer das offenbar nicht zu verstehen scheinen, denn aus irgendeinem Grund geben sie sich mit dem reflexartig geäußerten „Hä“ nicht zufrieden, sondern verlangen eine detaillierte Beschreibung dessen, was der Schüler nicht verstanden hat. Und das, obwohl sie doch eigentlich wissen müssten, was der Schüler meint.

„Hä“ ist ebenso die Kurzform von „Ich bin anderer Meinung“. Dieser mit dem „hä“ quasi ausgesprochene Satz wird manchmal sogar noch erklärt – großzügigerweise. Im konkreten Falle würde also die Reaktion auf die Äußerung von Herrn Peters „Das Anfertigen der Mind Map ist Hausaufgabe zu morgen“ lauten: „Hä, können wir das nicht jetzt machen und dann keine Hausaufgaben aufhaben?“
Die Krönung der "Hä"rrlichkeit trug sich in einer Unterrichtssituation zu, in der es ein sprachorientierter Lehrer gewagt hat, in diesem Zusammenhang eine bessere Sprache einzufordern. Die Reaktion der ermahnend angesprochenen Schülerin: "Ich habe gar nicht 'hä' gesagt,  ich habe 'ä' gesagt ..."
 

„Hä“ hat weitere Nebenwirkungen. Die mit der Formung des Mundes zum geradezu melodisch wirkenden „hä“ führt konsequent zu Mimiken, die sich vermutlich kein Schüler ausmalt, wenn er sich dieses Universalwortes bedient. Hier zeigt sich die gesamte Bandbreite der unbewussten Gesichtsakrobatik vom Hochziehen des rechten oder linken Teils der Oberlippe einschließlich dem dadurch freigelegten Zahnfleisch über das Rümpfen der Nase samt faltigen Rippeln in den Flanken bis zum Ankippen der Augenbrauen in alle nur erdenklichen Richtungen. Das Ergebnis ist ein fragwürdig intelligenter Gesichtsausdruck aus dem so mancher Lehrer eine umfangreiche Bildergalerie zusammenstellen könnte, würde er aus dem Knopfloch mit versteckter Kamera all diese 'hä'-rrlichen Gesichter ablichten.

Leider gehört die Knopflochkamera noch nicht zur Standardausstattung des deutschen Lehrers. Wäre das der Fall, so 'hä'-tte man durch die vielen Zeiten, in denen die Schüler in der Stunde oft nur halb anwesend ab-hä-ngen, schon eine wunderbare Bildgrundlage für eine zum Ende der Schulzeit  erstellte HÄ-sentation ange-hä-uft, mit der man sicher den einen oder anderen Lacher im Rahmen der Abschlussfeier ernten würde. Schade!

Montag, 18. Februar 2013

ProTest

Herr Krüger findet es immer wieder unglaublich, was seine Schülerinnen und Schüler so schreiben. Oft muss er Sätze ein oder zwei mal lesen, bevor er glaubt, was da wieder einer geschrieben hat.

Aus gegebenem Anlass hat Herr Krüger sich mal hingesetzt und zunächst einmal die Korrekturarbeit für Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik analysiert, die so ein Test mit sich bringt. Er kommt auf folgende Rechnung: Bei 30 Schülern und 10 Aufgaben muss man 300 Aufgaben korrigieren. Setzt man durchschnittlich drei Fehler pro Aufgabe an (Schüler machen heutzutage selten Punkte am Satzende und setzen dazwischen grundsätzlich keine Kommas, von der Rechtschreibung einmal ganz abgesehen), so läppert sich das ganz schnell und man ist im Nu bei ca. 900 Fehlern.

Was jedoch den Inhalt betrifft, so birgt dieser oft eine erstaunliche Kreativität, die Herr Krüger bei der Korrektur der letzten Tests einfach mal als 'Best of' rausgeschrieben hat:


  • Die Westminsterkrirche fließt durch die Themse.
  • Forscher schätzen, dass die Pinguine verhungert werden und erforen werden.
  • Jutta findet, das Wetter redet viel zu schön, um niht draußen zu sein. 
  • In der Nacht war es sehr dunkel ... dabei strömte es auch und blitzte. Dabei klopfte die Tür ...
  • Peru ist ene Arme Bevölkerung. Die Eisenbahnschienen sind auf Straßen.
  • Die Merkmale des Orients sind, es hat viel mit Religion zu tuhen. Außerdem wird im Nahen Osten viel Öl angebaut.
  • Bei der Verhütung darf man nicht vergessen die Pille raus zu nehmen. Man muss die Pille jeden Tag wechseln.
  • Eine Pipeline ist Eine Briefmarke.
  • Die Stadt kommt aus Leipzig.
  • Nasenhaare reinigen die Luft und riechen nach was die Luft riecht. So entstehen Popel.
  • Durch die ganzen Hochhäuser entstehen die Hurrikans.
  • Mädchen sind teurer z.B. die Hockzeit.

Zugegeben, er muss dabei oft schmunzeln. Und aus genau diesem Grund ist Herr Krüger auch ... pro Test! :-)

Krachfabrik Schule

Warum ist es in der Schule eigentlich immer laut? Im Normalfall ist zur Erklärung zunächst eine Differenzierung vorzunehmen und die Grundschule von der Oberschule zu unterscheiden.
An der Grundschule ist oft ein ohrenbetäubender Lärm, der dem unerfahrenen Gemüt der Kinder geschuldet ist. So macht es an dieser Stelle jedoch auch regelrecht Spaß, dem unschuldigen Treiben der Kinder in den Pausen zuzusehen. Hier überwiegt der Spieltrieb, so dass die Aufsicht führenden Lehrer nicht sonderlich häufig eingreifen müssen.
Nun könnte man meinen, dass die Lehrer an der Grundschule - wenn die Schüler doch ständig in Bewegung sind - ebenfalls schneller in all' ihren Bewegungen sind, um sich dem Tempo der Kinder anzupassen. Glücklicherweise haben diese aber ja kürzere Beine, sodass sich das wieder ausgleicht.
Die Kinder laufen und laufen und powern sich in den Pausen aus, damit sie in den darauffolgenden Stunden wieder ruhig auf ihren Stühlen sitzen können. Dadurch haben die Schüler an der Grundschule aus Sicht des Lehrers einen großen Vorteil: Wenn man ihnen im Unterricht eine spannende Geschichte erzählt, können sie mucksmäuschenstill sein. 

Anders verhält es sich häufig an Oberschulen. Macht man hier eine Ansage in der Klasse, so ist es oft nicht möglich, auch nur einen Satz zu auszusprechen. Sobald das Schlüsselwort des Satzes gefallen ist, neigt der Durchschnittsoberschüler dazu, seinen inneren Assoziationen allen nur erdenklichen Raum zu geben und dieses allen, die es nicht wissen wollen, mitzuteilen. Dies äußert sich in deutlich hörbarer Lautstärke in den facettenreichsten Äußerungen, ob ein Kommentar, ein Protest, eine übereilige Nachfrage, ein lautes Lachen oder undefinierbare Äußerungen der Entrüstung.

Grundsätzlich wird sich jedoch geäußert, ob es angemessen ist oder nicht. Nehmen wir uns ein Beispiel: Eine Stunde verschiebt sich, weil eine Kollegin erkrankt ist und nur zwei Stunden getauscht bzw. verlegt werden. Herr Krüger teilt mit: "Morgen habt ihr statt der geplanten sechs Stunden sieben ..." - Rein theoretisch hätten diesem ersten Satz des Lehrers noch weitere zur Erklärung folgen sollen, doch statt weiterzureden, schnappt Herr Krüger nach Luft ... Eine Fülle von Bemerkungen durchkreuzt den Raum und füllt ihn schlagartig mit Schallwellen, dass ein Physiklehrer seine wahre Freude daran haben könnte. Theoretisch eine perfekte Situation zur Messung im Dezibelbereich. Aber zurück zu Herrn Krüger; der wartet und wartet ...
Natürlich gibt es auch stille, ruhige Schüler, die es gelernt haben, zuzuhören. Dennoch ist eine weitere Gruppierung der Jugendlichen nicht zu vergessen: die Schüler aus der 'zweiten Reihe'. Diese zählen zu der Sorte, die beim ersten Satz des Lehrers noch abwarten, sich dann aber nicht mehr halten können, wenn die ersten Bemerkungen und entrüsteten Zwischenrufe ihrer Mitschüler durch den Raum schwirren. Spätestens dann geht es nicht mehr anders, die Schüler der 'zweiten Reihe' müssen jetzt das kommentieren, was Nachbar oder Nachbarin gerade 'rausgehauen' haben.

Damit vergeht wertvolle Lernzeit, weil schon allein die Ansage, dass der Schultag morgen eine Stunde länger ist (dies wäre jetzt der Zeitpunkt, zu der Lehrer eine Zwangspause einlegen müssen), etwa 10 Mintuen einnimmt. Dieser Punkt hätte weitaus schneller abgehandelt werden können, hätte die Klasse erst einmal weiter zugehört und erfahren, dass die zusätzliche Stunde an anderer Stelle dafür ausfällt. 

Was bleibt? Ein Haufen verlorener Zeit, ein genervter Herr Krüger und ein Haufen sich selbst hochpushender Schülerinnen und Schüler, die nicht abwarten können. In einem solchen Moment stellt sich dann die Frage, was eigentlich das Ziel in solchen Situationen ist!? Eigentlich war nur die bloße Mitteilung geplant, de facto stellt es sich dar, als sei die Aufgabe gewesen, dass "die Schülerinnen und Schüler lernen, Aussagen kritisch zu überprüfen und nicht unbeanstandet hinzunehmen ..." Zudem soll es ja regelmäßig Schüler geben, die mit Kopfschmerzen nach Hause kommen, ob der Tatsache, dass es in der Klasse immer so laut sei - ein Paradoxon?

Samstag, 16. Februar 2013

Kosmetikstunde

Es klingelt. Langsam bequemt man sich zum Platz, obwohl ... eigentlich könnte man ja auch noch ein Schwätzchen mit Nadja halten, schließlich hat der Lehrer noch nicht ermahnt.
Mist - jetzt hat er es doch mitgekriegt, na egal, ein Lehrer kann einem heutzutage sowieso nichts. Wenn es denn unbedingt sein muss, stell ich mich auch noch auf meinen Platz, bittesehr! Was ist denn jetzt noch? Was? Ich soll meine Handtasche vom Tisch nehmen? "Och Maaaan, ey!"


Unter Stöhnen und mit genervtem Blick nimmt Annette ihre Handtasche vom Tisch. Wobei ... warum Handtasche? Ist Annette nicht erst in der 9. Klasse? Ist sie, aber Schultaschen gibt es in dem Sinne sowieso nicht mehr. Warum auch? Es steht ja nirgendwo, dass man eine haben muss, also handelt und packt man nicht zweckmäßig, sondern mode- und launengesteuert. Seit einigen Jahren heißt das: Handtasche! Wenn das Schulmaterial nicht hineinpasst, das man eigentlich dabei haben sollte, ist das nicht so schlimm. Im Zweifelsfalle muss man sich erklären lassen, dass es doch eigentlich egal sei, wenn man maaal irgendetwas nicht dabei hat.



Aber gut, nehmen wir mal an, der Konflikt, dass eine Handtasche nicht auf den Tisch gehört, weil dieser eigentlich als Arbeitsplatz vorgesehen war (also, früher, als die Schultische entworfen und gebaut wurden, haben die sich das wohl so vorgestellt), ist ausgestanden und der Unterricht - soweit man das hautzutage überhaupt noch als Unterricht bezeichnen kann - hat begonnen.



"Der Lehrer organisiert irgendwelches Zeugs und erzählt was ... na ja, seien wir mal gnädig und lassen ihn reden. Eigentlich könnte ich mir doch dabei die Hände eincremen. Ja, gute Idee, also: Handtasche vorgeholt, Handcreme rausgeholt. Kerstin möchte auch was, klar gebe ich ihr was und tippe Regine an, die vor mir sitzt. "Ey, gib das mal Kerstin nach vorne!" "Was?" "Du sollst die Handcreme Kerstin geben, die will sie auch haben!" Regine gibt die Handcreme weiter - sogar unbemerkt von den Blicken des Lehrers.



Kerstin cremt sich jetzt endlich auch die Hände ein. "Welches Fach haben wir eigentlich gerade? Hmm ... oh, Mist, ich hab zu viel Creme aus der Tube gedrückt. Na ja, ich frag einfach mal die Jungs hinter mir. Super, Tillman will was ... hier, hast du was."

Der Lehrer nervt. "Was? Wieso soll ich ihnen meine Handcreme geben, es stört doch nicht ...? - Natürlich, er besteht drauf! Voll übertrieben!"


"Herr Peters", fragt Nadine entrüstet, "warum muss ich denn meine Handcreme abgeben, Katharina hat sich eben auch im Spiegel den Lidstrich nachgezogen und da haben sie auch nichts gesagt. Immer ich, als wenn ich die Einzigste wäre ..." - Herr Peters schnappt nach Luft, geht doch seine Stunde gerade inhaltlich den Bach runter, weil die Schülerinnen eine Diskussion über den Sinn der Kosmetik im Unterricht doch für weitaus essentieller halten als die Funktionsweise des Ohres bei der Schallweiterleitung. "Können wir das nach der Stunde klären, Nadine?"

Nadine ist eingeschnappt und bockt auf ihrem Platz still vor sich hin, mindestens acht Mitschülerinnen und Mitschüler beobachten sie, was sie sich weiter in dieser Angelegenheit überlegt und wie sie weiter reagiert, während Herr Peters die überraschenderweise doch noch erhaltene Creme abstellt und den Faden des Ohres wiederzufinden versucht.


Nach der Stunde geht er geschafft ins Lehrerzimmer, im Kopf die Überlegung, ob er als Thema nicht vielleicht doch lieber das Sinnesorgan "Haut unter besonderer Berücksichtigung von Hand- und Nagelhaut" zum Stundenthema hätte machen sollen.