Sonntag, 27. September 2015

Zickenalarm & Wildwechsel



Herr Krüger kann und will es eigentlich gar nicht wahrhaben, dass für ihn mit diesem Schuljahr wieder einmal ein neuer Schulabschnitt beginnt. Er kennt das schon und ihm schwant selten Gutes, wenn er sich dem 8. Jahrgang nähert, weil er diese Erfahrung bereits ein paar Mal machen musste. Welche Erfahrung? Die Pubertät natürlich!

Sie zeigt sich zwar zum Glück in zahlreichen Ausprägungen, die man dann irgendwann schon kennt, bringt aber auch immer wieder neue Konstellationen und ethologische Ausprägungen hervor, die Herrn Krüger und seine Kollegin Frau Kracht dann doch immer wieder in die Fassungslosigkeit führen.

In diesem Jahr erreicht das Zickentum einen neuen Höhepunkt. Obwohl die Klasse von Frau Kracht und Herrn Krüger lediglich neun Mädchen hat und von vier von ihnen solche Mädchen sind, die man sich als Lehrer wünscht (fleißig, interessiert, regelkonform und mit einer wunderbar sauberen Handschrift), schaffen es die anderen fünf Girlies, einen dermaßen überdimensionalen Zickenterror zu erzeugen, dass sie kurz vor schulischen Maßnahmen stehen. Warum das Ganze? Nur wegen der Zimmeraufteilung für die bevorstehende Klassenfahrt.

Selbstverständlich glauben die Megazicken, dass sie mit vorlautem Mundwerk und lautstarken Protesten ihr Ziel erreichen, haben aber dabei dummerweise die Argumentation vergessen. Und so folgen weder Frau Kracht noch Herr Krüger ihren Forderungen.

Als es sich dann durch andere, unvorhersehbare Umstände ergibt, dass die vier Mega-Zicken doch noch in einem Zimmer landen, danken Sie es ihren beiden Lehrern mit weiteren Zickereien, Aufmüpfigkeiten, regelmäßigen Vorwürfen, warum sie Dinge so und nicht anders entscheiden, Respektlosigkeiten, Dauergestöhne, sobald sie aufräumen, saubermachen oder Aufgaben übernehmen sollen und und und.



In diesem Zusammenhang stellt sich heraus, dass mit beginnender Nacht- und Zimmerruhe, die Herr Krüger und Frau Kracht auf 22 Uhr festgesetzt haben, ein reger Wildwechsel zwischen den Jungs- und Mädchenzimmern einstellt. Die beiden Kollegen hatten gehofft, dass mit einem Rundgang durch alle Zimmer zur Nachtruhe und einer entsprechenden Ansage alles geklärt sei. Weit gefehlt. Die Ansage, der Gute-Nacht-Gruß und das Schließen der Tür von außen scheint für die pubertäts(un)gesteuerten Jungs und Mädels der Startschuss für einen regen Wildwechsel zu sein. Da die Räumlichkeiten so liegen, dass das Zickenterror-Zimmer und das der willigen Jungs an den jeweils entgegengesetzten Enden des Ganges liegen. Wie sich das für einen anständigen Wildwechsel gehört, gehen die beiden Klassenlehrer auf die Pirsch, wenn auch zunächst nur akustisch hinter verschlossener Tür, nehmen aber deutliches Fußgetrappel wahr, das die Anziehungskraft des jeweils andersgeschlechtlichen Chaotenzimmers belegt. Zwischen 15 und 30 Mal müssen Herr Krüger und Frau Kracht deshalb ‚vor die Tür‘, um die Kids zur Rede zu stellen. Das Ausredenangebot ist mannigfaltig, allerdings gleichermaßen einfältig:

·         Marlon: „Ich muss Marie noch das Duschgel zurückgeben!?“

·         Melina: „André wollte mir vorhin noch was ganz wichtiges sagen.“

·         Nathalie: „Marcel hat noch meine Haarklemme, die brauche ich dringend ...“ usw.

Nachdem die Versuche der Jungs, sich in den Mädchenzimmern zu verstecken, kläglich gescheitert sind, weil die Kids den Scharfsinn von Sherlock Krüger unterschätzt haben, der mit scharfem Blick hinter die Betten geguckt, das Wackeln der Schranktür bemerkt und das Klappern der Duschtür gehört und die falschen Socken (siehe Bild) erspäht hat, sodass das Unterfangen, die Nacht bei den Mädchen zu verbringen, gescheitert ist.

Selbstbewusst und vorlaut wie die Klasse jedoch ist, haben die am heftigsten pubertierenden Jungs und Mädchen jedoch nicht versäumt, für eine potentielle nächste Klassenfahrt Wünsche nach gemischtgeschlechtlichen Schlafzimmern zu äußern. Fraglich ist nur, ob Frau Kracht und Herr Krüger überhaupt noch eine Klassenfahrt mit dieser Gruppe machen möchten – nach diesen Querelen!?

Sonntag, 6. September 2015

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Sommerferien. Auch Herr Krüger hat Urlaub gemacht und ihn sichtlich genossen. Obwohl er noch ein paar Tage nachgearbeitet hat, weil ja doch immer so viel liegenbleibt und wegsortiert werden muss, hat er problemlos in den Ferienmodus gefunden und sich diesem voll und ganz hingegeben.
Nach vielen Jahren der Übung hat er es gut im Griff, in Gesprächen zur Urlaubszeit und über die lange Ferienzeit der Lehrer, verächtliche, meist Neid ausdrückende Sprüche, Anspielungen o. ä. zu parieren. Blitzschnell zückt Herr Krüger in solchen verbalen Duell-Herausforderungen seine scharf geschliffene Zunge für einen entsprechenden Schlagabtausch. Das geht mit zwei drei Schlägen seiner Klinge gut und spätestens der Verbalhieb, ob das jeweilige Gegenüber tauschen und in der Schulzeit täglich ca. 150 Schülern ausgesetzt sein möchte, reicht aus, um den Gesprächspartner kleinlaut zu machen und verbal zu Boden zu strecken, sodass dieser seinen Säbel fallen lässt.

Es mag eine Berufskrankheit sein, dass Lehrer in den Ferien auf Jugendliche anders reagieren als Menschen mit anderen Jobs. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb Herr Krüger die Kinder im Schwimmbad während der Ferien auch leichter ertragen konnte als vielleicht manch anderer. Vielleicht lag es aber auch an der Tatsache, dass Herr Krüger im Ausland und nicht in Berlin war, denn irgendwann ist der Urlaub vorbei und jetzt ... steht der Wiedereinstieg unmittelbar bevor.

Herr Krüger fährt zum ersten Mal seit seiner Rückkehr quer durch die Stadt, weil er zu einer Party eingeladen ist. Als aufmerksamer Beobachter fallen ihm plötzlich am Straßenrand ein paar Jugendliche auf, vornehmlich Mädchen, die irgendetwas Komisches haben. Zunächst kommt Herr Krüger nicht drauf, doch dann ... Alle haben eine blass-bunte Haarfarbe. Ob es blassblau oder blassgrün sein soll, ist nicht deutlich erkennbar, schön ist allerdings etwas anderes.
Stirnrunzelnd fährt Herr Krüger weiter, nachdem ihm aufgefallen ist, dass immer mehr solcher Schüler auf der Straße laufen, die – wie er nach ein paar hundert Metern feststellt – alle aus einer bestimmten Straße kommen. Vielleicht eine verlorene Wette auf einer Schulveranstaltung? Herr Krüger wird es nicht erfahren, denn er ist verabredet. In den nächsten Tagen fallen ihm aber immer wieder Mädchen mit Haaren in den damals typischen blassen Farben auf, die die Trabis in der DDR immer hatten, weil für knallige Farben offenbar nicht genug Farbe da war: hellblau, hellgrün ... sogar hellrosa hat er einmal gesehen. Sollte das womöglich ein Trend sein, dem sich zahlreiche Jugendliche Teenager bereitwillig hingeben? Hoffentlich nicht, schoss Herrn Krüger durch den Kopf, denn er hatte Sorge, künftig stets eine Handvoll dieser Girlies im Zombielook in seinen Lerngruppen um sich haben zu müssen.
Oder sind das alles nur Friseurunfälle, die auf einem Fehler der Haarfärbeindustrie beruhen? Wird es in Kürze eine Schwämme von Klagefällen gegen Friseure geben oder gegen den Hersteller einer bestimmten Tönung? Aber nein, es scheint doch gewollt zu sein, so selbstbewusst, wie all diese blassbunten Geschöpfe auftreten. Herr Krüger kann es nicht fassen, ahnt aber Schlimmes, wenn er an das neue Schuljahr denkt, das in Kürze beginnen wird. Wird es noch andere Überraschungen geben? Wird Herr Krüger Dinge im Ferienalltag übersehen haben, die ihm womöglich zum Verhängnis werden?

Auch das Ohrstöpselverhalten droht sich zu verändern, wie Herr Krüger mit geschultem Blick bei seinen nächsten Supermarkteinkäufen beobachtet. Nachdem die Youngsters bisher immer mit einem Ohrstöpsel rumgerannt sind, scheint es mittlerweile auch auf dem anderen Ohr zu kalt geworden zu sein, denn in den Standardsituationen zwischenmenschlicher Kommunikation in Kassen- und anderen Servicebereichen, nehmen die Youngsters gar keinen Stöpsel mehr aus dem Ohr. Die jeweiligen Dienstleister trauen sich kaum noch die zu bezahlende Summe zu nennen, zumal die meisten während des Kassierens ungeniert weiter telefonieren und im Zweifelsfalle ein lautes „wie viel?“ an den Kopf werfen.
Seit es Ohrstöpsel gibt, scheint sich das Hörverhalten sowieso verändert zu haben, denn immer mehr Menschen reden in der Öffentlichkeit so laut, dass man meint, etliche würden unter Schwerhörigkeit leiden. Denn – fällt Herrn Krüger auf – er kennt mehr private Schicksale und Zustände als ihm lieb ist, weil die Menschen grundsätzlich auf der Straße telefonieren und sich angewöhnt haben, alle Passanten im Umkreis von 200m teilhaben zu lassen. Aber – will man das?
Fazit: Die Aussichten für das kommende Schuljahr sind düster. Aber – Abwarten! Vielleicht gibt es ja doch nicht so viele zugepfropfte Trabifrisurenköpfe unter den Jugendlichen, wie es Herr Krüger befürchtet.