Was ist eigentlich so schwer
daran, vernünftig Auto zu fahren? Diese Frage stellt sich Herr Krüger jeden Morgen, wenn er auf
seinem Weg zur Schule eine Straße passiert, an der sich eine Grundschule
befindet.
Klar, dass Eltern ihre Kinder
zur Schule bringen wenn sie noch so klein sind. Aber tut es in Not, dass sie
sich dabei so anstellen, dass sie den gesamten Verkehr blockieren?
Besagte Straße ist eine
Durchgangsstraße, in der demzufolge auch morgens der Berufsverkehr blüht.
Vom Fahrrad über Smarts über
öffentliche Verkehrsmittel bis hin zu Sattelschleppern passieren dort alle
Fahrzeuge die Straße.
Grundsätzlich eine normale Verkehrssituation, allerdings nur dann, wenn keine
Grundschule in der Straße liegt, deren überwiegender Teil der Schüler jeden
Morgen mit dem Auto zur Schule gebracht wird.
Was die ‚Eltern-Schule‘, wie
Herr Krüger Sie mittlerweile getauft hat, betrifft, scheint es allerdings
Absprachen unter den Eltern zu geben, die maßgeblich Einfluss auf den Verkehrsfluss
zwischen 07.30 und 08.00 Uhr haben. Einen genauen Wortlaut derartiger
Vereinbarungen kennt Herr Krüger natürlich nicht, aber abgeleitet vom
beobachtbaren Verhalten der Eltern, scheinen sie bestimmte Zeiten untereinander
abgesprochen zu haben. Diejenigen, die gut und umsichtig Autofahren, kommen
eher gegen halb acht, während diejenigen, die sich schon immer schwerer damit
getan haben, den riesigen Blechhaufen geschickt durch den Straßenverkehr zu
dirigieren, später auf der Bildfläche, also ab frühestens 7.45 Uhr, erscheinen.
Eine Klausel im
Kleingedruckten der von Herrn Krüger vermuteten Vereinbarung scheint zu
erlauben, dass es nicht nur erlaubt, sondern nachdrücklich erwünscht zu sein
scheint, das Auto so auf der Straße zu wenden, dass möglichst beide Spuren
blockiert sind. Zu beachten ist offenbar ferner, dass eine zügige
Drei-Punkt-Wendung gar nicht erwünscht, sondern höchstens geduldet ist, während
häufigerem Hin- und Herrangieren offenbar der Vorzug gewährt wird.
Da Herr Krüger mittlerweile schon
oft wegen genau dieser Eltern halten musste, konnte er außerdem beobachten,
dass viele Eltern die Gelegenheit nutzen, sich morgens noch über die eine oder
andere Kleinigkeit zu unterhalten. Dass ihr Automobil zu diesem Zeitpunkt noch
mit einer Ecke oder gar dem halben Auto den Durchgangsverkehr erschwert,
scheint nebensächlich, wenn man die munteren und lachenden Gesichter der Eltern
richtig deutet, die sich da unterhalten.
Der
therapeutische Nebeneffekt, den Herr Krüger abzuleiten versucht, um nicht doch
irgendwann mal beim Verband Deutscher Fahrlehrer (VDF) anzurufen und auf die
Notlage aufmerksam zu machen, ist das Üben in Geduld. Es ist ein hoffnungsloses
Unterfangen, sich aufzuregen. Auch Hupen ist sinnlos, denn bei seinen
bisherigen Hup-Attacken erntete er bislang lediglich freundliches Winken, weil
die angehupten Eltern sich stets begrüßt, aber nicht zum Tempo machen animiert fühlten.
Stattdessen
schaltet Herr Krüger an diesem Punkt in der Regel Klassik-Radio ein, hofft auf
einen beruhigenden Titel eines der großen Komponisten und wartet, bis alle
Grundschuleltern ihre Terminkalender abgestimmt und Tagespläne besprochen
haben.
Mit
einem dankbaren Blick an alle Eltern, die mit Fahrrädern, Anhängern oder zu Fuß
auf der Bildfläche erscheinen, fährt Herr Krüger schließlich weiter, muss sich
dann aber meistens so sputen, dass er zwei bis drei rote Ampeln überfährt, um
selbst noch rechtzeitig in der Schule zu sein. Über Kurz oder Lang wird Herr
Krüger jedoch mehr Zeit für seinen Schulweg aufbringen müssen, entweder, weil
er für die direkte Strecke länger braucht oder weil er einen Umweg fährt. Oder –
er steckt am Schulbriefkasten ein anonymes Angebot ein, das Aussicht auf einen
günstigen und effektiven Ausbau des vorderen Schulhofes für Kurzparkzonen verspricht.
Ob dieser Plan allerdings aufgeht, steht in den Sternen.