Es gibt so Tage, an denen ist keine Zeit für gar
nichts, nicht mal fürs Essen. Morgens bleibt die Zeit schon nicht, um sich ein
Brot zu schmieren, unabhängig davon, dass man erst einmal die Augen soweit
aufbekommen muss, dass man das Brot-Fach überhaupt findet und den richtigen
Brotaufstrich wählt. Oft ist es aber auch schlicht und ergreifend zu spät. Ist
man dann erst einmal am Ort der Hektik – der Schule – angelangt, war’s das
eigentlich, denn Unterricht ist Unterricht und auch die Pausen sind in der
Regel randvoll mit Ereignissen und gefühlten 20-30 Minischauplätzen gefüllt, ob
es kleine Infos sind, Materialien, die – irgend wie immer auf die letzte Minute
– in zusammengestellt werden müssen, ein Griff zum Kursheft oder zur Wandkarte
und und und. Die ersten vier Stunden sind im Nu rum. Die Uhr scheint in den
Pausen immer im doppelten Tempo zu laufen. Da bleibt oft nicht einmal die Zeit,
um sich aufs Örtchen zurückzuziehen. Wenn man dann noch in der Mittagspause
eine 45-Minuten-Aufsicht hat, kommt der Hunger unausweichlich nur – hat man
nichts zu essen parat.
Auch heute ist einer dieser Tage, an denen die Zeit
verdammt knapp und das mechanisch geschlungene Frühstück ziemlich spärlich war.
So frisst sich der Hunger mehr und mehr durch Herrn Krügers Tag: Durch die
Stunden, durch die Pausen, durch den Magen – lautstark von entsprechendem
Grummeln begleitet – und schließlich sogar durch Herrn Krügers Hirn, sodass er alle
paar Minuten immer und immer wieder ans Essen denkt. Aber woher nehmen, wenn nicht
stehlen?
Appropos stehlen. Herr Krüger hat nach fünf Stunden
Unterricht und der langen Mittagspausenaufsicht endlich eine Freistunde und hat
sich ins Lehrerzimmer gesetzt. Hunger! Hatte er nicht vorhin irgendwo eine
Schale mit Smarties stehen sehen? Herr Krüger erhebt sich, stromert auf der
Suche nach etwas Essbarem wie ein Trüffelschwein durchs Lehrerzimmer und
tatsächlich. Da steht eine Schale mit Smarties. ‚Ein paar kann ich mir da
bestimmt nehmen‘ denkt er sich, greift hinein und schüttelt den Rest wieder
zurecht, als wäre niemand dran gewesen. Satt ist Herr Krüger von ein paar
Smarties natürlich nicht, allerdings hat er noch nicht bei Ulla in der Keksdose
geguckt. Diese Dose steht ein paar Tische weiter und wird relativ regelmäßig
von einigen Kollegen befüllt. Zugegebenermaßen ist sie danach auch recht
schnell wieder leer, aber immerhin ist sie eine gute Idee, zumindest einmal
nachzugucken. Keine zehn Sekunden später hebt Herr Krüger den Deckel von der
Dose und .... ja, wieder ein Treffer: Drei Schokokekse mit Marmeladenfüllung
sind noch drin. Glück gehabt! Zusammen mit einem Kaffee aus dem Automaten hilft
das Herrn Krüger heute über den gröbsten Hunger hinweg.
Dass er mit diesem Problem nicht alleine ist, zeigt kurze
Zeit später. Kollege Klammt kommt herein, bemerkt Herrn Krüger aber nicht, der
ganz in der Ecke des Lehrerzimmers seinen Platz hat und jetzt etwas liest.
Zunächst nicht besonders zielgerichtet, schlendert der Kollege durch’s
Lehrerzimmer, wie Herr Krüger nach einem kurzen Blick zur Tür aus dem
Augenwinkel beobachtet. Doch nach relativ kurzer Zeit geht auch er wie
selbstverständlich den Deckel der Blechdose, die Herr Krüger eben noch gelüftet
hatte. Allerdings hat Kollege Klammt Pech, schließlich hat Herr Krüger gerade
die letzten Kekse inhaliert. Möglichst gleichgültig und ohne aufzufallen
schließt der Kollege die Dose wieder und wandert weiter durchs Lehrerzimmer.
Für Herrn Krüger ist klar: Auch Kollege Klammt hat Hunger und streunt durch die
Schule auf der Suche nach etwas Essbarem. Schließlich findet er eine Packung
Kekse, die auf einem Fensterbrett stand. Er nimmt sich ein paar Kekse und
verschwindet kurze Zeit später wieder. Herrn Krüger hat er nicht bemerkt.
Neugierig steht Herr Krüger auf und guckt sich die
Packung Kekse an. Waren die nicht abgelaufen? Herr Krüger sucht nach dem Datum
... 06/2014 ... ‚sag ich ja‘ denkt Herr Krüger bei sich, ‚deshalb hatte ich sie
verschmäht. Allerdings ... bestätigt sich mal wieder: Lehrer essen im
Zweifelsfalle alles, auch dann, wenn das Naschwerk bereits sein
Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat. Lehrer sind eben Menschen und
Menschen – Allesfresser.
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