Die
Tür fliegt auf. Obwohl es nicht brennt, kommt – scheinbar aus dem Nichts – ein
Wasserstrahl aus dem Off des Schulflures. Lautes Kreischen! „Meine Federtasche
...“, „... meine Wimperntusche ...“, „... meine Frisur ...!!“ Helle Aufruhr bei
den Mädchen, während die Jungen zwar auch schützend die Hände hochreißen,
jedoch mit ihren Verbaläußerungen weitaus ökonomischer sind. Herr Krüger
erträgt die Unterbrechung mit der gebotenen Gelassenheit, wird ihm doch klar,
dass er gegen den Streich der Abiturienten 2015 in diesem Moment eh nichts
ausrichten kann.
Während
die Mädchen binnen kürzester Zeit Handspiegel, Schminkutensilien und Handys
gezückt haben, um sich äußerlich wieder herzurichten, hat sich Herr Krüger eine
zentrale Position in der Klasse verschafft, um zumindest soweit wieder Ruhe
herzustellen, dass er den unterrichtlichen Gedanken zu Ende führen kann.
Doch
als dieser Gedanke nur halbwegs zu Ende geführt zu sein scheint, merkt man die
Unruhe der Schüler, die bereits zusammenpacken, denn – was Herr Krüger nicht
mitbekommen hat – alle Schüler wurden aufgefordert, den Sportplatz aufzusuchen.
Kurzerhand gibt er klein bei: „Was soll’s, dann geht mal auf den Sportplatz
...“ Keine 60 Sekunden später ist der Klassenraum leergefegt, auf dem Gang
herrscht ein heilloses Durcheinander und immer mehr Klassen wuseln hin und her.
Zugegeben
– auch Herr Krüger ist ein bisschen neugierig und so schlendert er ebenfalls
Richtung Sportplatz. Auf dem Weg dorthin weicht er wie auf einem Parcours immer
wieder den Wassergeschossen der Abiturienten aus, die an allen strategisch
wichtigen Punkten mit Wasserpistolen stehen, um alle potentiellen Schüler auf
der Flucht vom Schulgelände in ihre Schranken zu spritzen und dazu zu bewegen,
den richtigen Weg – auf den Sportplatz – einzuschlagen.
Auf
dem Sportplatz selbst herrscht ein absolutes Tohuwabohu. Keiner weiß so richtig
Bescheid, nicht einmal das Organisationskomitee. Abiturienten sind im Taumel
der Freude, die Mittelstufenschüler beglückt über die Unterbrechung des
Schulalltags. Binnen kürzester Zeit wird Herrn Krüger demonstriert, dass sich genau
diejenigen Schüler aus der Mittelstufe narrenfrei bewegen, die auch sonst über
die Klassen hinaus auffällig und bekannt sind. Auch sie halten mittlerweile
Wasserbomben in den Händen, jagen sich gegenseitig und bewerfen sich bis auch
sie klitschnass sind.
Währenddessen
patrouillieren die Abiturienten weiterhin mit Spritzpistolen und Wasserbomben. Allerdings
weiß keiner so richtig, wie es jetzt weitergehen soll. Einer verweist auf den
anderen, als Herr Krüger sich erkundigen will. Während er sich noch nach seinen
Schützlingen umguckt, trifft ihn ein Wasserstrahl von hinten am Hals. Herr
Krüger zuckt zusammen, zwei Dutzend Schüler freuen sich, dass der Schütze einen
Treffer gelandet hat. In diesem Moment tönt es von der anderen Seite: „Joo,
Herr Krüger, machen Sie mit ...“ Drei bis vier Hände schieben ihn plötzlich
neben eine der Lautsprecherboxen, die dort aufgebaut sind und den Sportplatz
beschallen. Ehe er sich recht besinnen kann, wird ihm eine Kollegin an die
Seite gestellt, die ihn mit einer Rolle Toilettenpapier einwickeln soll. Ziel
ist es, die Rolle schnellstmöglich um den Kollegen zu rollen und gegen ein
zweites Kollegenpaar zu gewinnen. Dann ertönt das Startzeichen und Herr Krüger
spürt das Papier wie einen Kopfverband um Stirn und Augen gewickelt. Schon bei
der zweiten Umdrehung sieht er fast nichts mehr und erhält die Order, sich zu
drehen. Gesagt, getan und so dreht sich Herr Krüger beinahe in Trance,
angespornt von den Rufen der anfeuernden Schüler und seinem eigenen Ehrgeiz,
den Wettkampf zu gewinnen bis ... tatsächlich, Herr Krüger und Kollegin
Schmaling gewinnen eine Dose Limo.
Als
Herr Krüger sich nach dem Sieg umguckt, um weitere Schauplätze des bunten
Abituriententreibens zu erhaschen, erblickt er in der Ferne Schüler, die durch
ein Loch im Zaun sowie an einer anderen Ecke über den Zaun türmen. Ist es schon
so weit, dass Jugendliche vor einem Fest flüchten, weil sie nicht einmal mehr
mitfeiern können?
Alternativ
wird Herrn Krüger angeboten, auf der Lehrertribüne Platz zu nehmen, einem
Tisch, der unmotiviert auf dem Sportplatz steht. Das Plaudern mit einer Hand
voll Kollegen, die mitten im Trubel Aufsicht führen macht Spaß, was den Abi-Streich
betrifft, bleibt Herrn Krüger nur ein Schluss: „... sie wissen nicht, was sie
tun!“
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