Der Lehrerjob verlangt neben
diversen Kompetenzen der jeweiligen Person und einer gelungenen
Unterrichtsstruktur auch einen angemessenen Medieneinsatz. Medien haben eine
große Bandbreite und das ist gut so, denn viele Themen verlangen nach unterschiedlichen
Medien, ob es Arbeitsblätter, Modelle, Zeitungen, geometrische Körper, Bücher,
Bälle, Realobjekte oder andere Medien aus der schier unendlichen Liste sind.
Dies hat zur Folge, dass junge Lehrer,
wenn sie ihre Ausbildung beginnen, ganz nebenbei zu Messies ausgebildet werden
– ohne jegliche Zusatzkosten. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird
beäugt, wenig kritisch bewertet und im Zweifelsfalle eingesackt. Man weiß ja
nie, wofür man es noch gebrauchen könnte. Wie gut ein Lehrer in dieser
Disziplin ausgebildet ist, zeigt sich besonders auf Bildungsmessen bzw. den Messebesuchern,
die mittlerweile bereits mit Koffern anreisen, um ausreichend Stauraum für die
angebotenen Give-aways zur Verfügung zu haben. Als Herr Krüger seit längerer
Zeit zum ersten Mal wieder die Bildungsmesse besucht, zählt er deutlich zu den
weniger erfahreneren Besuchern, denn er hat keinen Koffer dabei, was zur Folge
hat, dass er stattdessen sieben Baumwolltaschen und neun Tüten füllen muss, die
ihm schon bald tief in die Hände schneiden. Außerdem hat er binnen kürzester
Zeit mehrere graue Streifen auf seinen heute Morgen noch frisch geputzten Schuhen
und Druckstellen an den Füßen, weil immer wieder ein Profi mit Rollkoffer
querkommt und Herr Krüger seine Füße nicht so schnell in Sicherheit bringen
kann.
Als Herr Krüger gefühlte zwölf
Stunden später zurück in Berlin ist, offenbart sich das Desaster mit dem
Betreten seines Arbeitszimmers. Das Abstellen der Taschen und Tüten ist noch wohltuend
erleichternd, das Sortieren und strukturierte Verstauen der neuen, potentiellen
Unterrichtsmedien stellt sich jedoch als echtes Problem heraus, denn ... alle
Regale sind voll. Nicht, dass Herr Krüger das nicht gewusst hätte, aber dennoch
zog es ihn zur Messe. Und nun!?
Herr Krüger wendet die
Drittel-Technik an. Das erste Drittel der frisch erworbenen Beute transportiert
er in die Schule, in der Hoffnung, ausreichend Stauraum zu finden, das zweite
Drittel muss – egal wie – im übervollen Regal verstaut werden und das letzte
Drittel ... Es kennt seine Zukunft noch nicht und steht voraussichtlich für die
nächsten zwei Monate im Arbeitszimmer im Weg.
Als Herr Krüger am Montag nach dem
Messebesuch das Lehrerzimmer betritt, sieht er es mit ganz anderen Augen, denn durch
seinen suchend-umherstreifenden Blick bemerkt er erst, wie verkramt es ist.
Unterm Fensterbrett stapeln sich jede Menge Zeitungen, die seit vier Jahren
dort liegen, wie das Datum verrät. Zwei Fenster weiter hat jemand einen Teewagen
platziert, in dem alte Fachzeitschriften vor sich hin gilben. Auf dem Schrank
mit den Postfächern stapeln sich Ordner, Kartons, eine eingestaubte Gitarre,
eine Holzkiste unbekannten Inhalts, ein Globus und Stapel über Stapel mit alten
Kopien.
Nachdem Herr Krüger die
Randbedingungen des Lehrerzimmers gescannt hat, fallen ihm auch die
unterschiedlichen Arbeitsplätze der Kolleginnen und Kollegen auf. Ungefähr die
Hälfte hält so viel Ordnung, dass man die Farbe der Tische noch erkennen kann.
Bei der anderen Hälfte allerdings finden sich ebenfalls Kopien über Kopien,
Hefter, Mappen, Papp- und Plastikhüllen, Stifte, hin und wieder ein Locher,
Ablagen und vieles mehr, was in einem Fachgeschäft für Bürobedarf erhältlich
ist.
Drei Arbeitsplätze fallen
besonders auf: An dem einen sitzt eine Kollege, der im wahrsten Sinne des
Wortes ein Hochstapler ist, dem es offenbar nicht gelingt, seine
Messie-Affinitäten hin und wieder zu dämpfen. Stattdessen hat er sich im Laufe
der Jahre eine immer breitere Basis – mittlerweile über drei Arbeitsplätze –
geschaffen, die ein derartiges Stapelwesen erst möglich macht. Der zweiten
Kollegin ist es immerhin gelungen, ihr Messie-Dasein auf saubere DIN-A-4-Stapel
zu spezialisieren, auch wenn diese eine beachtliche und mitunter sogar
schwindelerregende Höhe erreicht haben. Bei Kollegin Nummer drei schließlich
muss man wissen, dass sie überhaupt an der Schule arbeitet, denn man sieht sie
selten und ihr Sitzplatz sieht so aus, als sei er die Resteecke des
Lehrerzimmers, in der alle Kollegen das hinterlassen, für das sie keine
Verwendung finden.
Ja, Lehrer werden zu Messies
gemacht, ob sie wollen oder nicht. Auch der Beipackzettel zur
Berufsbeschreibung weist im Kleingedruckten nicht darauf hin. Eine einzige
kleine Hintertür gibt es: Der Schulwechsel. Nur ein Schulwechsel bietet die
Möglichkeit, einen Großteil der angehäuften Materialien und Medien auszudünnen
und zu verschlanken. Aber wie oft wechselt man schon die Schule? Spontan muss
Herr Krüger daran denken, wie es wohl wäre, wenn man die Schule an einem Tag im
Jahr wie zum Schlussverkauf öffnen würde: Alles
muss raus ... aber das bleibt wohl eher ein Hirngespinst seiner Phantasie.