„Frau Knick?“ „Ja, Herr Krüger?“ „Wir müssen noch den
nächsten Wandertag planen.“ „Ach ja, der Wandertag. Was machen wir denn?“ „Na
ja, also ich glaube, das Wandern sollten wir nicht allzu ernst nehmen. Ich
meine sind Wandertage überhaupt noch zeitgemäß? Was soll eigentlich dieser
Spruch ‚Das Wandern ist des Müllers Lust?‘ Ich heiße Krüger und nicht Müller
und Schüler wollen heutzutage alles andere als wandern. Lust empfinden Sie
dabei auch nicht; das trifft mittlerweile maximal für solche Wandertage zu, zu
denen man mit ihnen auf die Bowlingbahn geht. Aber natürlich geht es auch
schlecht, dass man Wandertage in Bowlingtage umbenennt. Wobei – wenn man die
Schüler selbst fragt, was sie zum Wandertag gerne machen möchten, kommt als
erstes „Kino“. Das ist nämlich das Einfachste.“
„Stimmt“, bestätigt Frau Knick, „man muss nichts tun,
ausschließlich konsumieren: bewegten Bildern folgen und am besten auch noch ein
paar gesunde Chipsinnlos inhalieren.“ „Vielleicht sollte man die Wandertage
abschaffen und sie durch Kinotage ersetzen. Dann hätten wir auch weniger Arbeit
und nicht so viele Nörgeleien zu ertragen.“ Beide lachen und entscheiden, dass
sie die Schüler auf die Fährte eines Buches setzen, dass gerade im Unterricht gelesen
wird, indem sie verschiedene Standorte – die Geschichte spielt in Berlin –
ablaufen und ein Stück weit real werden lassen.
Vier Tage später finden sich Frau Knick und Herr Krüger im
Bus wieder. Mühselig haben sie alle Schüler eingesammelt und schließlich das
Oberdeck des Busses in Besitz genommen. Kaum sitzen die Schüler, sind die
Handys in der Hand. Beinahe reflexartig erhebt sich Herr Krüger, geht mit dem
Blick auf Hüft-bzw. Handyhöhe durch die Sitzreihen und schnappt sich das erste
Handy. Die Schüler aus den Reihen drei und vier lassen ihre Telefone blitzartig
verschwinden. In Reihe fünf ist das Handy nicht verschwunden, sodass Herr
Krüger es – zack – als nächstes in der Hand hat. „Heeeeeyyyy ...“ folgt die
promte Reaktion, die Herrn Krüger immerhin dazu bringt, mal aufzusehen. Ooooops
... im Eifer des Gefechts hat er einem Studenten das Handy aus der Hand
gezogen. „Oh, Entschuldigung, man sieht ja, wir sind mit einer Horde
Handyabhängiger hier und dachte ...“ entschuldigt sich Herr Krüger, und gibt
augenblicklich das Handy zurück. Der junge Mann grinst: „Schon o. k., ich
weiß, was Sie meinen.“
Glücklicherweise verläuft die U-Bahn-Fahrt ruhig und die
Kids trotten träge, aber brav Herrn Krüger und Frau Knick hinterher. Erst, als
sie vor dem Museum noch auf zwei später hinzustoßende Schüler warten, kommt
richtiges Leben in die Klasse. Ein Windstoß reißt den Deckel einer Mülltonne ab,
aber statt den Deckel für den Imbissbudenbesitzer festzuhalten, der so schnell
nicht aus seinem Kabuff kommt, bleiben die Kids stehen, haben blitzschnell ihr
Handy in den Kameramodus versetzt und filmen das Ereignis einschließlich des
beschürzten Currywurstbraters, der hoffnungslos verspätet dem Deckel
hinterherhechtet. „Weißt du, ich glaube, wir Erwachsenen sind einfach nicht
offen genug, ulkt Herr Krüger. „Uns fehlt einfach ein bisschen der Blick für
die wirklich spannenden Dinge des Lebens ... umherfliegende Mülltonnendeckel und
so ...“
Als der Windstoß vorüber ist und dieser unglaubliche Vorfall
ausreichend untereinander kommentiert wurde, folgt die Klasse ihren beiden
Lehrern ins Museum. Da jedoch nicht alle mit dem angemessenen Verhalten in
Museumsräumen vertraut sind, ist das Personal aufmerksam geworden. Im
Eingangsbereich wird die Klasse nur gemustert, in den Ausstellungsräumen wird
Herr Krüger jedoch gewahr, wie ein Museumswärter nach dem andern den Raum
betritt. Dann finden sie sich paarweise, um im Bedarfsfalle schnell und kontrolliert
eingreifen zu können. Um nicht allzu sehr aufzufallen, tarnen sich einige
hinter antiken Säulen und historischen Statuen. Von Zeit zu Zeit schnellt dann
einer der Männer hervor und ermahnt diejenigen, die einem der Exponate zu nahe
kommen.
Als die Klasse die Ausstellungsräume wieder verlässt und
Herr Krüger sich noch einmal umdreht, muss er zweimal hingucken. Die Wärter
haben ich zu einer geschlossenen Reihe formiert, sich gegenseitig eingehakt und
so den Raum hermetisch abgeriegelt, damit auch keiner auf die Idee kommt, sich doch
noch einmal umzudrehen. ‚Ich weiß, ihr freut euch auf eure Art, wenn eine
Schulklasse euer Museum wieder verlässt – verständlich‘ schmunzelt Herr Krüger
in sich hinein.
Als Herr Krüger und Frau Knick wieder unter freiem Himmel
stehen, atmet jeder auf seine Weise auf: Herr Krüger saugt die frische Luft
ein, Frau Knick hält genießend ihr Gesicht in die Sonne und die Schüler ...
richtig, zücken augenblicklich ihre Handys, um zu gucken, ob es irgendetwas
gibt, was sie womöglich verpasst haben. Die Klassenlehrer lassen sie gewähren,
zumal sie beide oft genug die Erfahrung machen mussten, dass Schüler
unerträglich werden, wenn sie in der Pubertät ihren Willen nicht bekommen.
Aber dann kommt das Handyverbot doch noch zum Tragen, als
Herr Krüger und Frau Knick ihre Bande gemächlich zum U-Bahnhof führen und es
plötzlich einen metallig scheppernden Klang gibt. Unvermittelt drehen sich
beide um und sehen Marco, der benommen auf den Steinen sitzt und um dessen Kopf
ein paar Vögel kreisen. Er hatte seinen Kopf als Klangstab benutzt und damit das
Straßenschild angeschlagen –vermutlich, weil er zu lange auf sein Handy geguckt
hat. Nun lagen verschieden Teile seines Telefons und er am Boden, während seine
Mitschüler nicht genau wissen, ob sie lachen oder ihm zu Hilfe kommen sollen.
Vier von ihnen haben schon wieder die Handys im Anschlag, um das nächste
Filmchen zu drehen, sodass Herr Krüger dann doch noch das Handyverbot ausspricht.
„Weißt du“, sagt Herr Krüger zu Frau Knick, „soo langweilig wie
ich dachte, sind Wandertage doch nicht!“
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