Mittwoch, 18. März 2015

Stillarbeit?



Jedes Thema braucht in der Schule seine Zeit, ist aber auch irgendwann zuende, auch das Mikroskopieren. Dennoch gibt es abschließend noch ein paar Dinge, die theoretisch erledigt werden müssen. 
Aus diesem Grund teilt Herr Krüger nach einer entsprechenden Einführung Arbeitsblätter aus. Unruhe tritt ein - wie üblich. Welches Datum ist heute?" fragt ein offensichtlich sorgfältig arbeitender Schüler aus dem Off, was Herr Krüger mit „Heute ist der 12.3.“ unmittelbar beantwortet. Sobald der letzte Zettel liegt, schreibt er zudem 12.3.2005 an die Tafel und will damit seine Schüler testen. Die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten.

"Da fehlt eine Eins, Herr Krüger!" ruft Marco spontan und laut in den Raum. Still nimmt Herr Krüger ein Stück Kreide in die Hand – ja, im Biologieraum arbeitet man noch in der Kreidezeit –und schreibt eine „1“ hinter das Datum, sodass jetzt 12.3.20051 an der Tafel steht. ‚Ob wohl jemand merkt, dass diese Angabe ein bisschen unpräzise war‘, fragt sich Herr Krüger, nimmt aber lediglich einige still amüsierte Gesichter wahr. Marco selbst bringt er nicht dazu, seine Formulierung zu überdenken. Stattdessen fliegt ein zweites "Welches Datum ist heute?" aus einer anderen Ecke quer durch den Raum ...

„Bitte lest die einzelnen Aufgaben und bearbeitet sie schriftlich auf einem Blatt aus eurem Block. „Ich hab keinen Block, Herr Krüger.“ „Ich auch nicht.“ „Ich auch nicht ...“ Wildes Blätterspenden führt dazu, dass ein Rascheln den Raum erfüllt. „Welcher ist heute?“ Zum dritten Mal hat jemand nichts mitbekommen. Herr Krüger reagiert nicht mehr, denn glücklicherweise übernimmt das jetzt ein Mitschüler: „Mann, hat er doch schon längst gesagt. Außerdem steht’s an der Tafel.“ „Hä, wieso steht denn da 12.03.20051 ... Herr Krüger, das Datum ist falsch.“ Damit ist noch immer keine Stille eingekehrt, sondern sechs Schüler haben sich umgedreht - bereit das Thema des zweifelhaften Tafelanschriebs ausführlich zu diskutieren. „Mann, raffst du’s nicht? Herr Krüger hat das absichtlich gemacht ...“ „Hä, wieso sollte er denn ...“

„Alle-Kinder-schließen-jetzt-den-Mund-und-lesen“ greift Herr Krüger laut und entschlossen ein. Zwei Mädchen diskutieren weiter – offenbar darüber, welche Farbe von den Stiften aus der Federtasche die am besten geeignete ist, um damit zu schreiben. „A l l e ...“ wird Herr Krüger lauter. Tatsächlich, es wird stiller. Mmmm, endlich ... „Mann, jetzt lass mich doch mal in Ruhe“, schimpft Marie, weil Marco immer noch nicht mit dem Lesen begonnen hat. „Marco ...“ „Ich hab gar nichts gemacht ...“ „R U H E!“

Nach immerhin zwei Minuten tatsächlicher Stille hört man die ersten Stifte Buchstaben aufs Papier kritzeln, bis sich Jason meldet. Hilfsbereit geht Herr Krüger zu ihm. Schon als er sich ein wenig zu ihm runterbeugt, nimmt Herr Krüger zwei, drei unmittelbar entstehende Murmelherde wahr, was auch immer der Inhalt ist. Melina ist die nächste, die sich meldet und um Hilfe bittet: „Was sollen wir hier denn machen?“ Sie zeigt auf eine Tabelle. „Hast du schon mal die Aufgabe gelesen, die über der Tabelle steht?“ „Äh, nein, wieso ...?

Mit rollenden Augen lässt Herr Krüger Melina zurück, ohne ihre  Frage zu beantworten.



‚Jetzt lesen sie nicht einmal mehr! Ich glaube, mit Stillarbeit ist heute nicht mehr zu rechnen‘, seufzt Herr Krüger und nimmt wieder seinen Platz ein. Schade, dass die Schüler nicht merken, wie angenehm Stille sein kann.

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