Es ist doch immer wieder
erstaunlich, wie viele Parallelitäten es zwischen Schule und Tierreich gibt.
Dies fällt vielleicht nicht auf den ersten, einem Biologen wie Herrn Krüger
aber spätestens beim zweiten Blick auf.
Als er im Kreise verschiedener
Kollegen zusammensitzt und man selbstverständlich über Schule fachsimpelt,
erläutert Herr Krüger seine Theorie zur Veränderung von Teenagern in der
Pubertät. „Für diejenigen unter euch“, beginnt er seinen kleinen Vortrag“, die
nicht mehr aus der Schulzeit wissen, was die Metamorphose ist: Die Metamorphose
stammt vom griechischen Wort metamophosis
ab und bedeutet die Verwandlung der Gestalt. Im Tierreich kann man eine solche
Verwandlung am besten bei der Gattung der Lepidoptera, den Schmetterlingen,
beobachten. Aus einem Ei schlüpft eine Larve, die wir alle als Raupe kennen.
Sie haben einen immensen Fresszwang und können damit sogar große Schäden
anrichten bis sie sich eines Tages an Zweige hängen oder in Blätter wickeln, wo
sie sich dann fortan nicht mehr bewegen und auch das Fressen einstellen. Eingesponnen
in seidene Fäden verwandelt sich die Larve zur Puppe und vollzieht im Hülleninneren
eine Verwandlung ihrer Gestalt, bis sie nach mehreren Wochen als fertiger
Schmetterling die Puppenhülle sprengt und erneut ans Tageslicht kriecht.
Außerhalb der Hülle ist der Schmetterling noch weich, erhärtet aber relativ
schnell und hat dann sein endgültiges Aussehen erreicht. Dieses ist meist von
einer immensen Schönheit geprägt.“
„Das ist ja nett, dass du uns an
deinen biologischen Kenntnissen teilhaben lässt, aber was bitte soll das Ganze
denn mit unseren pubertierenden Jugendlichen zu tun haben?“ unterbricht ihn der
Kollege Ritter. „Das will ich dir gerne sagen“, setzt Herr Krüger fort und holt
tief Luft.
„Zieht doch einfach mal die Parallelen und vergleicht die Raupen mit den Kindern, die uns von der Grundschule geliefert werden. Es sind Kinder, die zunächst alle mehr oder weniger gleich zu sein scheinen und nicht weiter auffallen, wie eine grüne Raupe im Grün der Pflanzen. Sie verdrücken alle ungeheure Mengen an Essen, Mengen, die ich zumindest oft erschreckend finde. Manchmal zeigt der Fresszwang auch äußerliche Spuren und wie bei den Raupen gibt es auch bei unseren Teenies dünnere und dickere Exemplare. Inwieweit sie damit Schäden anrichten, vermag ich allerdings nicht zu beurteilen, weil ich nicht weiß, wie viel Kohle die Eltern zu Hause haben. Natürlich hängen sich die Kinder nicht so oft an Zweige, hängen aber oft genug rum. Sie wickeln sich vielleicht auch nicht in Blätter, aber manchmal doch in sehr eigenartige Klamotten und ich denke, ihr wisst, was ich meine!?“
Die Kollegen lachen. „Oh ja ...“
„Seht ihr“, setzt Herr Krüger fort, „und wie bei den Schmetterlingen bewegen
sie sich dann nicht mehr ... na gut, kaum noch oder zumindest sehr ungerne.
Aber es gibt noch mehr Parallelen. Wie die Schmetterlinge spinnen sich die noch
nicht ganz Jugendlichen manchmal ihre ganz eigene Umgebung zusammen, spinnen
rum und entwickeln ein Innenleben, von dem wir vermutlich noch nicht einmal in
unseren kühnsten Träumen etwas ahnen.
Dass sie sich innerlich
verändern, hoffen wir. Dass sie aber eben auch ihre Gestalt verändern, erkennen
wir aber am besten. Schaut doch einfach mal hin.
Kaum sieht man die Mädchen mal
ein paar Wochen nicht – z. B. in den Sommerferien – muss man oft zweimal
hingucken, um sie wiederzuerkennen. Schließlich haben sie – wie die
Schmetterlinge – zwischenzeitlich ihre Gliedmaßen gestreckt und präsentieren
sich oft mit so langen Beinen, dass sie sich bei ‚Germanys next Topmodel‘
bewerben können. Außerdem haben sie eine schöne Haut bekommen, die vielleicht
nicht so bunt wie die vieler Schmetterlinge ist, aber dennoch ebenso viel an
Schönheit und Eleganz gewonnen hat, dass sie damit den gleichaltrigen Jungs den
Kopf verdrehen. Und um auch noch eine Parallele zum Aufsprengen der Puppenhülle
aufzuzeigen: Ihr wisst selbst, dass wir einige verwandelte Mädchen bzw. dann
jugendliche Frauen haben, die ihre verwandelte Weiblichkeit mit der Wahl ihres
Ausschnittes geschickt zu betonen wissen.
Was die Jungen nach den
Sommerferien betrifft, muss man u. a. deshalb mehrfach hingucken, weil
ihre Augen plötzlich einen halben Meter weiter oben liegen als noch vor den
Ferien. Man muss mehr ausweichen, wenn man sich beim Passieren einer Tür
entgegenkommt, weil ihr Kreuz doppelt so breit geworden ist und zweimal
hinhören, bevor man ihre Stimmen erkennt, die sich nicht mehr nach kleinem
Jungen, sondern erwachsenem Mann anhören.“
Während Herr Krüger in die Runde
guckt, merkt er, dass seine Kolleginnen und Kollegen schmunzelnd lauschen,
amüsiert nicken und ihn hin und wieder mit einem „stimmt“ bestätigen.
„Dass die frisch geschlüpften
Schmetterlinge relativ bald nach dem Schlüpfen ausgehärtet sind, lässt sich
problemlos mit dem zunehmenden Selbstbewusstsein vergleichen, das ihr alle
bestimmt ebenfalls zur Genüge aus eurer eigenen Erfahrung kennt, stimmt’s? Und
jetzt sagt mal selbst, hab ich Recht oder nicht mit meinem Vergleich?“ Als ein
munteres Durcheinander an Assoziationen und Kommentaren ausbricht, sagt Herr
Krüger ganz leise zu sich selbst: „Na also, sag ich doch!“
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