Donnerstag, 12. März 2015

Schülermetamorphosen



Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie viele Parallelitäten es zwischen Schule und Tierreich gibt. Dies fällt vielleicht nicht auf den ersten, einem Biologen wie Herrn Krüger aber spätestens beim zweiten Blick auf.

Als er im Kreise verschiedener Kollegen zusammensitzt und man selbstverständlich über Schule fachsimpelt, erläutert Herr Krüger seine Theorie zur Veränderung von Teenagern in der Pubertät. „Für diejenigen unter euch“, beginnt er seinen kleinen Vortrag“, die nicht mehr aus der Schulzeit wissen, was die Metamorphose ist: Die Metamorphose stammt vom griechischen Wort metamophosis ab und bedeutet die Verwandlung der Gestalt. Im Tierreich kann man eine solche Verwandlung am besten bei der Gattung der Lepidoptera, den Schmetterlingen, beobachten. Aus einem Ei schlüpft eine Larve, die wir alle als Raupe kennen. Sie haben einen immensen Fresszwang und können damit sogar große Schäden anrichten bis sie sich eines Tages an Zweige hängen oder in Blätter wickeln, wo sie sich dann fortan nicht mehr bewegen und auch das Fressen einstellen. Eingesponnen in seidene Fäden verwandelt sich die Larve zur Puppe und vollzieht im Hülleninneren eine Verwandlung ihrer Gestalt, bis sie nach mehreren Wochen als fertiger Schmetterling die Puppenhülle sprengt und erneut ans Tageslicht kriecht. Außerhalb der Hülle ist der Schmetterling noch weich, erhärtet aber relativ schnell und hat dann sein endgültiges Aussehen erreicht. Dieses ist meist von einer immensen Schönheit geprägt.“

„Das ist ja nett, dass du uns an deinen biologischen Kenntnissen teilhaben lässt, aber was bitte soll das Ganze denn mit unseren pubertierenden Jugendlichen zu tun haben?“ unterbricht ihn der Kollege Ritter. „Das will ich dir gerne sagen“, setzt Herr Krüger fort und holt tief Luft.


„Zieht doch einfach mal die Parallelen und vergleicht die Raupen mit den Kindern, die uns von der Grundschule geliefert werden. Es sind Kinder, die zunächst alle mehr oder weniger gleich zu sein scheinen und nicht weiter auffallen, wie eine grüne Raupe im Grün der Pflanzen. Sie verdrücken alle ungeheure Mengen an Essen, Mengen, die ich zumindest oft erschreckend finde. Manchmal zeigt der Fresszwang auch äußerliche Spuren und wie bei den Raupen gibt es auch bei unseren Teenies dünnere und dickere Exemplare. Inwieweit sie damit Schäden anrichten, vermag ich allerdings nicht zu beurteilen, weil ich nicht weiß, wie viel Kohle die Eltern zu Hause haben. Natürlich hängen sich die Kinder nicht so oft an Zweige, hängen aber oft genug rum. Sie wickeln sich vielleicht auch nicht in Blätter, aber manchmal doch in sehr eigenartige Klamotten und ich denke, ihr wisst, was ich meine!?“

Die Kollegen lachen. „Oh ja ...“ „Seht ihr“, setzt Herr Krüger fort, „und wie bei den Schmetterlingen bewegen sie sich dann nicht mehr ... na gut, kaum noch oder zumindest sehr ungerne. Aber es gibt noch mehr Parallelen. Wie die Schmetterlinge spinnen sich die noch nicht ganz Jugendlichen manchmal ihre ganz eigene Umgebung zusammen, spinnen rum und entwickeln ein Innenleben, von dem wir vermutlich noch nicht einmal in unseren kühnsten Träumen etwas ahnen.

Dass sie sich innerlich verändern, hoffen wir. Dass sie aber eben auch ihre Gestalt verändern, erkennen wir aber am besten. Schaut doch einfach mal hin.

Kaum sieht man die Mädchen mal ein paar Wochen nicht – z. B. in den Sommerferien – muss man oft zweimal hingucken, um sie wiederzuerkennen. Schließlich haben sie – wie die Schmetterlinge – zwischenzeitlich ihre Gliedmaßen gestreckt und präsentieren sich oft mit so langen Beinen, dass sie sich bei ‚Germanys next Topmodel‘ bewerben können. Außerdem haben sie eine schöne Haut bekommen, die vielleicht nicht so bunt wie die vieler Schmetterlinge ist, aber dennoch ebenso viel an Schönheit und Eleganz gewonnen hat, dass sie damit den gleichaltrigen Jungs den Kopf verdrehen. Und um auch noch eine Parallele zum Aufsprengen der Puppenhülle aufzuzeigen: Ihr wisst selbst, dass wir einige verwandelte Mädchen bzw. dann jugendliche Frauen haben, die ihre verwandelte Weiblichkeit mit der Wahl ihres Ausschnittes geschickt zu betonen wissen.

Was die Jungen nach den Sommerferien betrifft, muss man u. a. deshalb mehrfach hingucken, weil ihre Augen plötzlich einen halben Meter weiter oben liegen als noch vor den Ferien. Man muss mehr ausweichen, wenn man sich beim Passieren einer Tür entgegenkommt, weil ihr Kreuz doppelt so breit geworden ist und zweimal hinhören, bevor man ihre Stimmen erkennt, die sich nicht mehr nach kleinem Jungen, sondern erwachsenem Mann anhören.“

Während Herr Krüger in die Runde guckt, merkt er, dass seine Kolleginnen und Kollegen schmunzelnd lauschen, amüsiert nicken und ihn hin und wieder mit einem „stimmt“ bestätigen.

„Dass die frisch geschlüpften Schmetterlinge relativ bald nach dem Schlüpfen ausgehärtet sind, lässt sich problemlos mit dem zunehmenden Selbstbewusstsein vergleichen, das ihr alle bestimmt ebenfalls zur Genüge aus eurer eigenen Erfahrung kennt, stimmt’s? Und jetzt sagt mal selbst, hab ich Recht oder nicht mit meinem Vergleich?“ Als ein munteres Durcheinander an Assoziationen und Kommentaren ausbricht, sagt Herr Krüger ganz leise zu sich selbst: „Na also, sag ich doch!“

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