Montag, 29. Juni 2015

The Mamas and the Papas (am Morgen)



Was ist eigentlich so schwer daran, vernünftig Auto zu fahren? Diese Frage stellt sich Herr Krüger jeden Morgen, wenn er auf seinem Weg zur Schule eine Straße passiert, an der sich eine Grundschule befindet.

Klar, dass Eltern ihre Kinder zur Schule bringen wenn sie noch so klein sind. Aber tut es in Not, dass sie sich dabei so anstellen, dass sie den gesamten Verkehr blockieren?

Besagte Straße ist eine Durchgangsstraße, in der demzufolge auch morgens der Berufsverkehr blüht. Vom Fahrrad über Smarts über öffentliche Verkehrsmittel bis hin zu Sattelschleppern passieren dort alle Fahrzeuge die Straße. Grundsätzlich eine normale Verkehrssituation, allerdings nur dann, wenn keine Grundschule in der Straße liegt, deren überwiegender Teil der Schüler jeden Morgen mit dem Auto zur Schule gebracht wird.

Was die ‚Eltern-Schule‘, wie Herr Krüger Sie mittlerweile getauft hat, betrifft, scheint es allerdings Absprachen unter den Eltern zu geben, die maßgeblich Einfluss auf den Verkehrsfluss zwischen 07.30 und 08.00 Uhr haben. Einen genauen Wortlaut derartiger Vereinbarungen kennt Herr Krüger natürlich nicht, aber abgeleitet vom beobachtbaren Verhalten der Eltern, scheinen sie bestimmte Zeiten untereinander abgesprochen zu haben. Diejenigen, die gut und umsichtig Autofahren, kommen eher gegen halb acht, während diejenigen, die sich schon immer schwerer damit getan haben, den riesigen Blechhaufen geschickt durch den Straßenverkehr zu dirigieren, später auf der Bildfläche, also ab frühestens 7.45 Uhr, erscheinen.

Eine Klausel im Kleingedruckten der von Herrn Krüger vermuteten Vereinbarung scheint zu erlauben, dass es nicht nur erlaubt, sondern nachdrücklich erwünscht zu sein scheint, das Auto so auf der Straße zu wenden, dass möglichst beide Spuren blockiert sind. Zu beachten ist offenbar ferner, dass eine zügige Drei-Punkt-Wendung gar nicht erwünscht, sondern höchstens geduldet ist, während häufigerem Hin- und Herrangieren offenbar der Vorzug gewährt wird.

Da Herr Krüger mittlerweile schon oft wegen genau dieser Eltern halten musste, konnte er außerdem beobachten, dass viele Eltern die Gelegenheit nutzen, sich morgens noch über die eine oder andere Kleinigkeit zu unterhalten. Dass ihr Automobil zu diesem Zeitpunkt noch mit einer Ecke oder gar dem halben Auto den Durchgangsverkehr erschwert, scheint nebensächlich, wenn man die munteren und lachenden Gesichter der Eltern richtig deutet, die sich da unterhalten.

Der therapeutische Nebeneffekt, den Herr Krüger abzuleiten versucht, um nicht doch irgendwann mal beim Verband Deutscher Fahrlehrer (VDF) anzurufen und auf die Notlage aufmerksam zu machen, ist das Üben in Geduld. Es ist ein hoffnungsloses Unterfangen, sich aufzuregen. Auch Hupen ist sinnlos, denn bei seinen bisherigen Hup-Attacken erntete er bislang lediglich freundliches Winken, weil die angehupten Eltern sich stets begrüßt, aber nicht zum Tempo machen animiert fühlten.

Stattdessen schaltet Herr Krüger an diesem Punkt in der Regel Klassik-Radio ein, hofft auf einen beruhigenden Titel eines der großen Komponisten und wartet, bis alle Grundschuleltern ihre Terminkalender abgestimmt und Tagespläne besprochen haben.

Mit einem dankbaren Blick an alle Eltern, die mit Fahrrädern, Anhängern oder zu Fuß auf der Bildfläche erscheinen, fährt Herr Krüger schließlich weiter, muss sich dann aber meistens so sputen, dass er zwei bis drei rote Ampeln überfährt, um selbst noch rechtzeitig in der Schule zu sein. Über Kurz oder Lang wird Herr Krüger jedoch mehr Zeit für seinen Schulweg aufbringen müssen, entweder, weil er für die direkte Strecke länger braucht oder weil er einen Umweg fährt. Oder – er steckt am Schulbriefkasten ein anonymes Angebot ein, das Aussicht auf einen günstigen und effektiven Ausbau des vorderen Schulhofes für Kurzparkzonen verspricht. Ob dieser Plan allerdings aufgeht, steht in den Sternen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen