Freitag, 3. Juli 2015

Filmfestspiele



Es ist mal wieder Zeit für die Filmfestspiele. Ja, richtig, Filmfestspiele – an der Schule. Die Termine werden nicht konkret festgelegt und dennoch gibt es deutliche Indikatoren, wann die Spiele beginnen. Man erkennt diese Zeit mit geübtem Blick an vermehrt im Lehrerzimmer liegenden DVD-Hüllen, an dauerbelegten Filmräumen und bis über das Raster hinaus ausgefüllte Ausleihlisten der Medienwagen, die es an der einen oder anderen Schule immer noch gibt. Selbst die DVD-Player fühlen sich in diesen Zeiten manchmal überlastet und verweigern wegen Überhitzung ihre Arbeit. An moderneren Schulen ist die Internetleitung hoffnungslos überlastet.

Beinahe zeitgleich stellt sich auf Seiten der Schüler eine Trägheit ein, die nicht ausschließlich und nicht immer aufs Wetter zu schieben ist. Sie klagen über eine mangelnde Motivation, wetterbedingte Lähmungserscheinungen sowie cerebrale Überbeanspruchung. Ihrer Aussage zufolge sei ihr Hirn gänzlich gefüllt und bräuchte nun – ähnlich wie bei der Verdauung – erst einmal ausreichend Zeit, das neu erworbene Wissen zu verarbeiten und zu verknüpfen. Als Herrn Krüger dies wieder einmal erklärt wird, antwortet er mit einem ungläubigen Blick: „Der Mensch nutzt doch einen Großteil seiner Gehirnkapazitäten gar nicht, insofern ...“ „Was sind Kapazitäten, Herr Krüger?“

Was ist passiert? Ganz einfach. Die Sommerferien rücken näher. Kurz bevor die Zeugnisse jedoch vor der Tür stehen, tun dieses erst einmal diejenigen Schüler, die sich als Saisonarbeiter bewerben. Sie kommen fast zeitgleich mit den Spargelstechern. Auch sie haben das Ziel, etwas zu verdienen. Einziger Unterschied: Die Spargelstecher arbeiten auch mehr als einmal im Jahr. Schließlich gilt es den Lebensunterhalt zu verdienen, sodass sie von Job zu Job tingeln. Anders ist das bei Schülern. Sie besinnen sich urplötzlich, dass sie sich im vergangenen Schulhalbjahr so gut wie gar nicht beteiligt, fast nie Hausaufgaben gemacht und durchschnittlich zwei Stunden unentschuldigt gefehlt haben; da es für sie aber nicht ums Überleben geht, glauben sie, dass sie mit einer einmaligen Arbeit, die nicht selten lediglich in einen maximal zwei Minuten dauernden Vortrag münden, ihre Faulheit von einem kompletten Schulhalbjahr ausgleichen können.
Ebendiese Schüler sind es in der Regel auch, die auf die übermäßigen Strapazen des vergangenen Halbjahres hinweisen und unbedingt Erholung brauchen. Ebendiese Schüler sind es ferner, die am lautesten schreien, wenn es um die Auswahl der Filme geht, die in der scheinbar narrenfreien Zeit vor den Zeugnissen gesehen werden.

Läuft man also in diesen Tagen der Filmfestspiele durch die Gänge der Schule, stürmen die Kids am Stundenende nicht wie üblich mit Energie in die Pause, sondern kommen träge aus den Klassen getrottet, blinzeln mit den Augen, um sich erst einmal wieder an die schonungslos hell beleuchteten Flure zu gewöhnen und reden manchmal sogar über den gerade gesehenen Film. Einzig das Popcorn hat glücklicherweise noch keinen Einzug in die Schule gehalten, sodass man nicht wie im Kino mit klebrigen Fußsohlen ins Freie tritt. Herr Krüger befürchtet jedoch, dass mit dem immer stärker werdenden Anteil sozialpädagogischer Betreuung selbst das irgendwann üblich werden könnte – zumindest während der Filmfestspiele. Herr Krüger wischt den Gedanken lieber schnell weg, als er seine Klasse betritt. „Herr Krüger, gucken wir einen Film ...?“
So beginnen in diesen Zeiten vermutlich viele Gespräche, wenn ein Lehrer in die Klasse kommt. Und je nach Klasse und Lehrerkombination kann es passieren, dass die Schüler von einem Schultag nach Hause kommen, als hätten sie eine lange Kinonacht hinter sich – mit mindestens drei Filmen. Wie oft sich dabei gut gemachte Sachfilme ‚auf der Filmrolle drehen‘ und wie oft ein Action-Streifen läuft, ist natürlich nicht erhoben. Vermutlich ist das besser so!

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