Es
ist mal wieder Zeit für die Filmfestspiele. Ja, richtig, Filmfestspiele – an der
Schule. Die Termine werden nicht konkret festgelegt und dennoch gibt es
deutliche Indikatoren, wann die Spiele beginnen. Man erkennt diese Zeit mit
geübtem Blick an vermehrt im Lehrerzimmer liegenden DVD-Hüllen, an dauerbelegten
Filmräumen und bis über das Raster hinaus ausgefüllte Ausleihlisten der
Medienwagen, die es an der einen oder anderen Schule immer noch gibt. Selbst
die DVD-Player fühlen sich in diesen Zeiten manchmal überlastet und verweigern
wegen Überhitzung ihre Arbeit. An moderneren Schulen ist die Internetleitung
hoffnungslos überlastet.
Beinahe
zeitgleich stellt sich auf Seiten der Schüler eine Trägheit ein, die nicht
ausschließlich und nicht immer aufs Wetter zu schieben ist. Sie klagen über
eine mangelnde Motivation, wetterbedingte Lähmungserscheinungen sowie cerebrale
Überbeanspruchung. Ihrer Aussage zufolge sei ihr Hirn gänzlich gefüllt und
bräuchte nun – ähnlich wie bei der Verdauung – erst einmal ausreichend Zeit,
das neu erworbene Wissen zu verarbeiten und zu verknüpfen. Als Herrn Krüger
dies wieder einmal erklärt wird, antwortet er mit einem ungläubigen Blick: „Der
Mensch nutzt doch einen Großteil seiner Gehirnkapazitäten gar nicht, insofern
...“ „Was sind Kapazitäten, Herr Krüger?“
Was
ist passiert? Ganz einfach. Die Sommerferien rücken näher. Kurz bevor die
Zeugnisse jedoch vor der Tür stehen, tun dieses erst einmal diejenigen Schüler,
die sich als Saisonarbeiter bewerben. Sie kommen fast zeitgleich mit den
Spargelstechern. Auch sie haben das Ziel, etwas zu verdienen. Einziger
Unterschied: Die Spargelstecher arbeiten auch mehr als einmal im Jahr.
Schließlich gilt es den Lebensunterhalt zu verdienen, sodass sie von Job zu Job
tingeln. Anders ist das bei Schülern. Sie besinnen sich urplötzlich, dass sie
sich im vergangenen Schulhalbjahr so gut wie gar nicht beteiligt, fast nie
Hausaufgaben gemacht und durchschnittlich zwei Stunden unentschuldigt gefehlt
haben; da es für sie aber nicht ums Überleben geht, glauben sie, dass sie mit
einer einmaligen Arbeit, die nicht selten lediglich in einen maximal zwei
Minuten dauernden Vortrag münden, ihre Faulheit von einem kompletten Schulhalbjahr
ausgleichen können.
Ebendiese
Schüler sind es in der Regel auch, die auf die übermäßigen Strapazen des
vergangenen Halbjahres hinweisen und unbedingt Erholung brauchen. Ebendiese
Schüler sind es ferner, die am lautesten schreien, wenn es um die Auswahl der
Filme geht, die in der scheinbar narrenfreien Zeit vor den Zeugnissen gesehen
werden.
Läuft
man also in diesen Tagen der Filmfestspiele durch die Gänge der Schule, stürmen
die Kids am Stundenende nicht wie üblich mit Energie in die Pause, sondern
kommen träge aus den Klassen getrottet, blinzeln mit den Augen, um sich erst
einmal wieder an die schonungslos hell beleuchteten Flure zu gewöhnen und reden
manchmal sogar über den gerade gesehenen Film. Einzig das Popcorn hat
glücklicherweise noch keinen Einzug in die Schule gehalten, sodass man nicht
wie im Kino mit klebrigen Fußsohlen ins Freie tritt. Herr Krüger befürchtet
jedoch, dass mit dem immer stärker werdenden Anteil sozialpädagogischer
Betreuung selbst das irgendwann üblich werden könnte – zumindest während der
Filmfestspiele. Herr Krüger wischt den Gedanken lieber schnell weg, als er
seine Klasse betritt. „Herr Krüger, gucken wir einen Film ...?“
So
beginnen in diesen Zeiten vermutlich viele Gespräche, wenn ein Lehrer in die
Klasse kommt. Und je nach Klasse und Lehrerkombination kann es passieren, dass
die Schüler von einem Schultag nach Hause kommen, als hätten sie eine lange
Kinonacht hinter sich – mit mindestens drei Filmen. Wie oft sich dabei gut
gemachte Sachfilme ‚auf der Filmrolle drehen‘ und wie oft ein Action-Streifen
läuft, ist natürlich nicht erhoben. Vermutlich ist das besser so!
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