Sommerferien. Auch Herr Krüger
hat Urlaub gemacht und ihn sichtlich genossen. Obwohl er noch ein paar Tage
nachgearbeitet hat, weil ja doch immer so viel liegenbleibt und wegsortiert
werden muss, hat er problemlos in den Ferienmodus gefunden und sich diesem voll
und ganz hingegeben.
Nach vielen Jahren der Übung hat
er es gut im Griff, in Gesprächen zur Urlaubszeit und über die lange Ferienzeit
der Lehrer, verächtliche, meist Neid ausdrückende Sprüche, Anspielungen
o. ä. zu parieren. Blitzschnell zückt Herr Krüger in solchen verbalen Duell-Herausforderungen
seine scharf geschliffene Zunge für einen entsprechenden Schlagabtausch. Das
geht mit zwei drei Schlägen seiner Klinge gut und spätestens der Verbalhieb, ob
das jeweilige Gegenüber tauschen und in der Schulzeit täglich ca. 150 Schülern
ausgesetzt sein möchte, reicht aus, um den Gesprächspartner kleinlaut zu machen
und verbal zu Boden zu strecken, sodass dieser seinen Säbel fallen lässt.
Es mag eine Berufskrankheit sein,
dass Lehrer in den Ferien auf Jugendliche anders reagieren als Menschen mit
anderen Jobs. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb Herr Krüger die Kinder
im Schwimmbad während der Ferien auch leichter ertragen konnte als vielleicht manch
anderer. Vielleicht lag es aber auch an der Tatsache, dass Herr Krüger im
Ausland und nicht in Berlin war, denn irgendwann ist der Urlaub vorbei und
jetzt ... steht der Wiedereinstieg unmittelbar bevor.
Herr Krüger fährt zum ersten Mal
seit seiner Rückkehr quer durch die Stadt, weil er zu einer Party eingeladen
ist. Als aufmerksamer Beobachter fallen ihm plötzlich am Straßenrand ein paar
Jugendliche auf, vornehmlich Mädchen, die irgendetwas Komisches haben. Zunächst
kommt Herr Krüger nicht drauf, doch dann ... Alle haben eine blass-bunte
Haarfarbe. Ob es blassblau oder blassgrün sein soll, ist nicht deutlich
erkennbar, schön ist allerdings etwas anderes.
Stirnrunzelnd fährt Herr Krüger
weiter, nachdem ihm aufgefallen ist, dass immer mehr solcher Schüler auf der Straße
laufen, die – wie er nach ein paar hundert Metern feststellt – alle aus einer
bestimmten Straße kommen. Vielleicht eine verlorene Wette auf einer
Schulveranstaltung? Herr Krüger wird es nicht erfahren, denn er ist verabredet.
In den nächsten Tagen fallen ihm aber immer wieder Mädchen mit Haaren in den
damals typischen blassen Farben auf, die die Trabis in der DDR immer hatten,
weil für knallige Farben offenbar nicht genug Farbe da war: hellblau, hellgrün
... sogar hellrosa hat er einmal gesehen. Sollte das womöglich ein Trend sein,
dem sich zahlreiche Jugendliche Teenager bereitwillig hingeben? Hoffentlich
nicht, schoss Herrn Krüger durch den Kopf, denn er hatte Sorge, künftig stets
eine Handvoll dieser Girlies im Zombielook in seinen Lerngruppen um sich haben
zu müssen.
Oder sind das alles nur
Friseurunfälle, die auf einem Fehler der Haarfärbeindustrie beruhen? Wird es in
Kürze eine Schwämme von Klagefällen gegen Friseure geben oder gegen den
Hersteller einer bestimmten Tönung? Aber nein, es scheint doch gewollt zu sein,
so selbstbewusst, wie all diese blassbunten Geschöpfe auftreten. Herr Krüger
kann es nicht fassen, ahnt aber Schlimmes, wenn er an das neue Schuljahr denkt,
das in Kürze beginnen wird. Wird es noch andere Überraschungen geben? Wird Herr
Krüger Dinge im Ferienalltag übersehen haben, die ihm womöglich zum Verhängnis
werden?
Auch das Ohrstöpselverhalten
droht sich zu verändern, wie Herr Krüger mit geschultem Blick bei seinen
nächsten Supermarkteinkäufen beobachtet. Nachdem die Youngsters bisher immer
mit einem Ohrstöpsel rumgerannt sind, scheint es mittlerweile auch auf dem
anderen Ohr zu kalt geworden zu sein, denn in den Standardsituationen
zwischenmenschlicher Kommunikation in Kassen- und anderen Servicebereichen,
nehmen die Youngsters gar keinen Stöpsel mehr aus dem Ohr. Die jeweiligen
Dienstleister trauen sich kaum noch die zu bezahlende Summe zu nennen, zumal
die meisten während des Kassierens ungeniert weiter telefonieren und im
Zweifelsfalle ein lautes „wie viel?“ an den Kopf werfen.
Seit es Ohrstöpsel gibt, scheint
sich das Hörverhalten sowieso verändert zu haben, denn immer mehr Menschen
reden in der Öffentlichkeit so laut, dass man meint, etliche würden unter
Schwerhörigkeit leiden. Denn – fällt Herrn Krüger auf – er kennt mehr private
Schicksale und Zustände als ihm lieb ist, weil die Menschen grundsätzlich auf
der Straße telefonieren und sich angewöhnt haben, alle Passanten im Umkreis von
200m teilhaben zu lassen. Aber – will man das?
Fazit: Die Aussichten für das
kommende Schuljahr sind düster. Aber – Abwarten! Vielleicht gibt es ja doch
nicht so viele zugepfropfte Trabifrisurenköpfe unter den Jugendlichen, wie es
Herr Krüger befürchtet.
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