Dienstag, 19. Februar 2013

Hä?



Wer sich mit der deutschen Sprache beschäftigt, Professor für Germanistik oder eben Lehrer ist, der kennt sich mit Satzanfängen aus. Der geübte Schreiber weiß, diese flexibel und abwechslungsreich einzusetzen. Wer das oft noch nicht weiß, muss es erst lernen – z. B. in der Schule. Ob nun bei der ‚Vorgangsbeschreibung‘ oder zum Thema ‚Spannende Geschichten schreiben‘ – Satzanfänge sind ein fester Bestandteil des Rahmenlehrplans für das Fach Deutsch.

Wer die kreativen Verbalkonstrukte Heranwachsender zu einem dieser Themenbereiche einmal gelesen hat, kennt den Lieblingssatzanfang eines jeden Schülers: „Und dann ...“ Ein sagenhaftes Konstrukt höchster Genialität, passt diese Einleitung doch quasi bei jedem Satz. Aber – warum sind die Lehrer dann selten damit zufrieden?

Anders stellen sich die Satzanfänge im täglichen Sprachgebrauch dar. So ist seit einigen Jahren zu beobachten, dass sich der Satzanfang „Hä ...“ mehr und mehr in der Schülerschaft durchsetzt. Unabhängig von dem synonymen Gebrauch mit dem hoffnungslos veralteten „Wie bitte?“ lässt sich das „Hä“ auch für den viel zu langen und damit anstrengend auszusprechenden Satz „Mir ist da noch etwas unklar“ einsetzen. Ärgerlich ist nur, dass die Lehrer das offenbar nicht zu verstehen scheinen, denn aus irgendeinem Grund geben sie sich mit dem reflexartig geäußerten „Hä“ nicht zufrieden, sondern verlangen eine detaillierte Beschreibung dessen, was der Schüler nicht verstanden hat. Und das, obwohl sie doch eigentlich wissen müssten, was der Schüler meint.

„Hä“ ist ebenso die Kurzform von „Ich bin anderer Meinung“. Dieser mit dem „hä“ quasi ausgesprochene Satz wird manchmal sogar noch erklärt – großzügigerweise. Im konkreten Falle würde also die Reaktion auf die Äußerung von Herrn Peters „Das Anfertigen der Mind Map ist Hausaufgabe zu morgen“ lauten: „Hä, können wir das nicht jetzt machen und dann keine Hausaufgaben aufhaben?“
Die Krönung der "Hä"rrlichkeit trug sich in einer Unterrichtssituation zu, in der es ein sprachorientierter Lehrer gewagt hat, in diesem Zusammenhang eine bessere Sprache einzufordern. Die Reaktion der ermahnend angesprochenen Schülerin: "Ich habe gar nicht 'hä' gesagt,  ich habe 'ä' gesagt ..."
 

„Hä“ hat weitere Nebenwirkungen. Die mit der Formung des Mundes zum geradezu melodisch wirkenden „hä“ führt konsequent zu Mimiken, die sich vermutlich kein Schüler ausmalt, wenn er sich dieses Universalwortes bedient. Hier zeigt sich die gesamte Bandbreite der unbewussten Gesichtsakrobatik vom Hochziehen des rechten oder linken Teils der Oberlippe einschließlich dem dadurch freigelegten Zahnfleisch über das Rümpfen der Nase samt faltigen Rippeln in den Flanken bis zum Ankippen der Augenbrauen in alle nur erdenklichen Richtungen. Das Ergebnis ist ein fragwürdig intelligenter Gesichtsausdruck aus dem so mancher Lehrer eine umfangreiche Bildergalerie zusammenstellen könnte, würde er aus dem Knopfloch mit versteckter Kamera all diese 'hä'-rrlichen Gesichter ablichten.

Leider gehört die Knopflochkamera noch nicht zur Standardausstattung des deutschen Lehrers. Wäre das der Fall, so 'hä'-tte man durch die vielen Zeiten, in denen die Schüler in der Stunde oft nur halb anwesend ab-hä-ngen, schon eine wunderbare Bildgrundlage für eine zum Ende der Schulzeit  erstellte HÄ-sentation ange-hä-uft, mit der man sicher den einen oder anderen Lacher im Rahmen der Abschlussfeier ernten würde. Schade!

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