Donnerstag, 28. Mai 2015

Wiedergutmachungsmaßnahmen



Je nach Schule und Schultyp gibt es ein Regelwerk, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn es Regelverstöße gegeben hat. Häufig sind das die Standards, die jeder aus seiner Schulzeit kennt: Tadel, Nachsitzen oder Elterngespräche. Damals, also zu Zeiten, zu denen Herr Krüger noch Schüler war, zählte das auch noch etwas. Die Kids zogen wie Schildkröten den Kopf ein, machten sich Gedanken, was wohl ihre Eltern sagen würden und bemühten sich, dem Lehrer, der die jeweilige Maßnahme verhängt hatte, in den nächsten zwei oder drei Wochen möglichst nicht einmal auf dem Gang oder Schulhof über den Weg zu laufen.
Das ist heutzutage nicht mehr so – zum Leidwesen vieler Lehrer!
Heutzutage duckt sich ein Schüler nach einer Grenzüberschreitung und einem entsprechenden Donnerwetter kurz weg und nimmt sich dann die nächste Frechheit heraus. Diese leidliche Erfahrung muss Herr Krüger machen, als er seine Schüler in Gruppenarbeit schickt, Madleen die Gelegenheit hierfür aber nutzt, um laut kichernd Witze zu erzählen und die gesamte Gruppe von der Arbeit abzuhalten. „Madleen ....“ warnt Herr Krüger in ihre Richtung. Madleen guckt Herrn Krüger unverfroren in die Augen und plappert munter und laut weiter, ohne ihr Verhalten in irgendeiner Weise zu ändern. „Madleeeeen“ wird Herr Krüger lauter. Die Situation wiederholt sich und mit dem gleichen ‚Stört-mich-doch-nicht-Gesichtsausdruck‘ in den Augen wird ihr Gelächter in der Gruppe noch lauter. Herrn Krüger platzt der Kragen und er brüllt Madleen an: „RRAAUUUUUUSSS!“
Statt zu reagieren und flink wie ein Wiesel die Klasse zu verlassen, grinst Madleen Herrn Krüger frech an und bewegt sich nicht, während der Rest der Klasse so leise ist, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. „VERDAMMT NOCHMAL, RAUUUUUUUS!“ Beifall heischend guckt Madleen noch einmal in die Runde ihrer Gruppe, bewegt sich dann im Schneckentempo Richtung Tür und verlässt endlich den Raum.
Genervt, aber wieder mit leiser Stimme betreut Herr Krüger die anderen Schülergruppen. Dabei stellt er fest, dass er so laut gebrüllt hat, dass ihm sein Hals wehtut – ‚so eine Scheiße‘.
Nach der Stunde betritt Madleen wieder den Klassenraum und will sich rechtfertigen. Herrn Krüger interessiert das kein Stück. „Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, heute noch irgendetwas von dir zu hören. Ich habe lange nicht mehr erlebt, dass jemand so respektlos ist wie du und Halsschmerzen habe ich jetzt deswegen auch. Ich erwarte von dir, dass du dich noch einmal schriftlich zu deinem Verhalten äußerst. Außerdem erwarte ich, dass morgen eine Tüte Kräuterhalsbonbons in meinem Fach liegt – von Ricola.“
Madleen schluckt die Strafe und wagt nur noch die Frage: „Wo soll ich die denn kaufen?“ Mit einem „probier’s mal in einem Klamottenladen“ lässt Herr Krüger Madleen zurück. Dennoch – einen Tag später liegt die Tüte wie gefordert in Herrn Krügers Fach.
Herr Krüger denkt über seine Maßnahme nach und merkt, dass sie ziemlich logisch war – auch für Madleen. Ob man daraus ein ganzes Konzept stricken könnte? Dieses würde immer dann greifen, wenn entsprechende Maßnahmen notwendig sind und eine Wiedergutmachung verlangen. Herr Krüger spielt das Szenario für ein paar Situationen durch:
  • Verlangt eine bestimmte Situation also, dass sich ein Schüler eine Ohrfeige einfängt, sollte der Schüler als logische Maßnahme eine Handcreme für den Lehrer besorgen, damit dieser sich seine beanspruchte Hand eincremen kann.
  • Oder sollte im Winter ein Schüler einen Schneeball werfen, sodass der Lehrer ihn zum Schneefegen o. ä. verdonnert und dabei beaufsichtigt, sollte der Schüler dafür sorgen, dass der Lehrer beim Beaufsichtigen einen Glühwein in den Händen hält.
  • Gibt das Verhalten eines Schülers dazu Anlass, dass eine Stunde Nachsitzen fällig wird, wäre es die Aufgabe des Schülers dafür zu sorgen, dass der Lehrer während dieser Stunde Kaffee und Kuchen sowie Schlagsahne zur Verfügung hat, um seinen Zeitverlust wiedergutzumachen.
Herrn Krüger gefällt sein Wiedergutmachungskonzept und er beschließt, seiner Kollegin Frau Kracht von der Idee zu berichten. Wer weiß, vielleicht zieht sie ja bei der Umsetzung dieses Konzepts mit und man sieht demnächst mehrere Kollegen mit Glühwein oder Kuchen auf dem Schulgelände. Ein schönes Bild, dass Herrn Krüger schmunzeln lässt ...

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