Montag, 4. Mai 2015

Laboratorium Schule



Herrn Krüger wird ein Referendar zugeteilt. Das bedeutet, dass er ihn in seinem Fachunterricht betreuen, beraten und anleiten soll. Es ist nicht das erste Mal und so ist er gespannt, wie sich dieser Kandidat präsentiert. Als der Schulleiter den Namen des Kandidaten sagt, kann Herr Krüger sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sein Name birgt definitiv Unruhepotential, denn er heißt 'Spanner'. Für Schüler ist ein solcher Name ein gefundenes Fressen, was sich bestätigt, als Herr Krüger das erste Mal Herrn Spanner gegenübersitzt und dieser berichtet, dass er im Praktikum diesbezüglich bereits erste Erfahrungen machen durfte.
Ob er wirklich ein Spanner sei und ob er wirklich Spanner und nicht Spinner heiße oder ob er nur bei Frauen oder auch bei Männern zum Spanner wird ... Herr Krüger hört Herrn Spanner aufmerksam zu, allerdings können ihn Geschichten wie diese nicht sonderlich schocken, da er dafür schon zu lange im Job ist. Klar ist jedenfalls, dass solche Bemerkungen nicht aufhören werden, solange Herr Spanner nicht heiratet und einen anderen Namen annimmt und solange Pubertierende über das den Begriff 'Spanner' lachen, weil dieser in der Pubertät eine ganz andere Bedeutung hat. Und außerdem – lieben es Schüler, Lehrer auszutesten.
So bestätigen sich die Erfahrungen von Herrn Krüger und Herrn Spanner, denn in der ersten Stunde, in der Herr Krüger im Unterricht von Herrn Spanner hospitiert, hagelt es Bemerkungen, als der Referendar seinen Namen an die Tafel schreibt. „Herr Spinner … äh … Spanner … machen Sie auch spannenden Sexualkundeunterricht?“ „Du spinnst ja … also ich meine, du spannst ja … haben wir bei ihm nicht Spannisch?“ „Hää, nee ... Bio. Und vielleicht hat er ja Ahnung von Sexualkunde ...“
Hilflos guckt Herr Spanner Herrn Krüger an, der sich hinten in eine Ecke der Klasse zurückgezogen hat. Keine Reaktion. Also muss Herr Spanner selbst aktiv werden und sagt: „Ich kann auch nichts dafür, dass ich so heiße; ist halt so.“
Es dauert fast 20 Minuten, bis Herr Spanner seinen Unterricht beginnen kann. „Treten Sie niemals unsicher auf, Herr Spanner, auch wenn Sie sich in einer Situation nicht wohl fühlen. Schüler nutzen so etwas schamlos aus, sodass Sie ihnen zeigen müssen, wo der Hammer hängt“ sagt Herr Krüger ihm nach der Stunde, als die beiden zusammen hocken und Herr Krüger ein Feedback gibt.
Zwei Stunden später stellt Herr Krüger verblüffend fest, dass nicht nur Herr Spanner, sondern auch er selbst Zielscheibe mehrerer Testreihen wird. Ärgerlicherweise ist er die Testperson, während die Schüler als Versuchsleiter fungieren und ausgerechnet in der Oberstufe ihre Tests für den heutigen Tag angesetzt haben. Es beginnt damit, dass Niklas zu spät den Unterrichtsraum betrifft, provokativ und mit einer Seelenruhe zu seinem Platz schlendert, seine Brote herausholt und ungeniert hineinbeißt. Herr Krüger, der gerade mit der Aufmerksamkeit bei einem anderen Schüler ist, bemerkt dies erst zu spät und ermahnt Niklas. Dieser tut, als würde er akzeptierend sein Brot wegstecken, beißt aber noch einmal besonders viel vom Rest ab. „Geht’s noch ...?“ wird Herr Krüger deutlicher, kommt aber nicht zur Fortsetzung seines Satzes, weil Niklas nun auch noch mit dem übervollen Mund zu reden beginnt. „Nicht sprechen ... aber kann ich sonst noch was reichen?“ fragt Herr Krüger ironisch. Niklas schüttelt den Kopf, setzt nun auch noch seine Wasserflasche an den Mund und beginnt laut gluckernd zu trinken. Herrn Krüger wird es zu dumm. Die Testreihe mag in Sachen Gelächter aufgegangen sein, dennoch musste auch der Versuchsleiter einstecken – eine 5 –, da er sich zugunsten seines Essens nicht am Unterricht beteiligt hat.
Nach der Pause beobachtet Herr Krüger im selben Oberstufenkurs Max, der in der Pause einen Apfel verspeist hat und nun den Apfelgriebsch zu Stundenbeginn hilflos in der Hand hält. „Sie können Ihren Apfel gerne wegwerfen gehen.“ „Darf ich probieren, ob ich den Mülleimer treffe?“ „Nein“, wehrt Herr Krüger sofort ab, nicht vom Platz aus. Max steht auf, macht drei Schritte, wirft dann trotzdem, trifft aber nicht. „Max ...“ „Aber ich habe nicht vom Platz aus geworfen und Sie haben nicht gesagt ...“ „Natürlich, Sie haben Recht, Max, selbstverständlich war das mein Fehler, ich hätte mich deutlicher ausdrücken müssen ...“
Als es klingelt, springen die Oberstufengorillas auf und verlassen den Raum. ‚Fehlt eigentlich nur noch, dass sie mit Bananenschalen werfen und behaupten, ich hätte mich nur zum Werfen von Äpfeln geäußert ...‘ denkt Herr Krüger. Schade, dass man nicht nur als Referendar getestet wird ...

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