Ein
typischer Montag. Der Stundenplan ist nonstop gefüllt und Herr Krüger darf die
letzte Stunde – es ist mittlerweile die achte Stunde und 14 Uhr, also mitten im
physiologischen Leistungstief des Menschen – in seiner siebten Klasse
unterrichten. Dies ist, wie er schon oft erfahren konnte, die Höchststrafe,
weil die Kids bereits sieben Stunden mehr oder weniger still sitzen mussten und
dann ... schlägt für Herrn Krüger montags häufig die letzte Stunde.
Dann noch Geografie
zu unterrichten ist eigentlich unmöglich; Herr Krüger kann schon froh sein,
wenn die Schüler dann überhaupt das Datum mitbekommen und ein rotes Kreuz in
den Kalender machen, falls sie es aufgeschrieben haben sollten. Dennoch bemüht er
sich auch an diesem Montag, Inhalte zu vermitteln. Heute soll es um den kompetenten
Umgang mit dem Atlas gehen, um das Finden der richtigen Karte usw. Doch so sehr
sich Herr Krüger auch bemüht, es ist keine echte Arbeitsatmosphäre in die
Klasse zu bekommen. Zu quirlig ist der Haufen seiner Siebtklässler und zu viele
Störungen geschehen gleichzeitig, sodass er nicht überall und zum selben
Zeitpunkt ermahnen und für Ruhe sorgen kann. Er kann gar nicht so schnell gucken,
geschweige denn reagieren, wie seine Schüler dieses verlangen. Mitunter fordert
der Job von Herrn Krüger ja auch Handgreiflichkeiten, etwa dann, wenn es darum
geht, Maßnahmen durchzusetzen. Dies kann das bloße Umsetzen des Arbeitsmaterials
an einen Extratisch sein, wenn der betroffene Schüler sich umsetzen soll, oder im
Rahmen der Veränderung der Tischordnung, wenn der Lehrer mit zupackt.
In dieser
schwierigen achten Stunde hatten natürlich
nicht alle Schüler ihre Bücher dabei, sodass wieder einmal der berühmte ‚Plan
B‘ hermusste: ein Buch pro Tisch und Zusammensetzungen, die nicht selten
Nebenwirkungen haben, zu denen man keinen Arzt oder Apotheker befragen kann.
Als Herr
Krüger merkt, dass er leider nur zwei und nicht acht Arme hat, kommt ihm eine
Idee, wie dem vielleicht Abhilfe geschaffen werden könnte: Wäre es wohl möglich,
Oktopoden zu züchten und diese in den Unterricht zu holen? Auf dem Kopf der Achtfüßer
könnte sich jeweils ein Chamäleon niederlassen, das – um nicht aufzufallen – seine
Farbe dementsprechend natürlich anpasst, als Beobachter aber die ideale
Ergänzung ist, weil es seine Augen unabhängig voneinander bewegen kann und die
Schüler so besser im Blick hätte (auch wenn sich Herr Krüger mittlerweile einen
Panoramablick angeeignet hat). Und da Oktopoden als sehr intelligent gelten, könnte
man sie zweifelsohne als Unterrichtshilfe für zahlreiche Aufgaben ausbilden:
Notwendige
Zwangsumsetzungen wären z. B. leicht auszuführen, weil der Krake die Schüler
mit seinen Saugnäpfen problemlos am Kopf packen, kurz durch die Luft wirbeln
und dann woanders absetzen könnte. Herrn Krüger begeistert seine Idee. Heute hätte
der Oktopus auf sein Geheiß z. B. Marco den Kopf verdreht. Nicht, weil
dieser sich verliebt hätte, sondern um ihn wieder auf sein Blatt gucken zu lassen, von dem er viel zu oft aufschaut und
dann sogenanntes ‚Leuchtturmverhalten‘ zeigt. Dieses ist daran zu erkennen,
dass sich der Kopf fortwährend dreht und dreht, immer mit der Maßgabe, alle zu erreichen
und keine Ecke des Raumes zu übersehen.
Der Oktopus
hätte bei seiner Auswahl hier garantiert immer irgendeinen Arm freigehabt.
Zeitgleich hätte heute ein anderer Arm einen Atlas von Heidis auf Piets Tisch gelegt,
weil dieser seinen vergessen hat, Heidi sich aber aus purer Opposition weigert,
ihren Piet zu leihen. Die Arme drei und vier hätten am Tisch vorn ausgeholfen,
an dem Marlon und Hakan hilflos im Atlas blättern ohne die richtige Karte zu
finden. Arm fünf hätte den eigenen Tintenvorrat angezapft, um Pierres Füller zu
betanken. Arm sechs und sieben hätten mit ihren starken Saugnäpfen zwei
Tischgruppen zusammengestellt, um der akuten Buchnot zu begegnen. Arm acht
hätte sich mit Arm eins abgewechselt, um verschiedene Schüler mit
Leuchtturmstörungen wieder einzunorden.
Und das
alles ... gleichzeitig! Toll! Herr Krüger hätte Zeit für die Notengebung,
kleine Hilfestellungen und könnte sich womöglich sogar leisten, mitten im
Unterricht einen Kaffee zu trinken. Selbstverständlich bliebe auch ausreichend
Zeit, um dem arbeitenden Weichtier hin und wieder das ein oder andere Beutetier
zu reichen. Herr Krüger beschließt, das in der nächsten Gesamtkonferenz
vorzuschlagen.
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