Freitag, 30. Januar 2015

Primaten an der Sekundarschule


„Herr Krüger ...“ „Guten Morgen, Anton ...“ „Ach ja, Morgen, wann iss heute Schluss?“ Das kann doch nicht wahr sein, dachte Herr Krüger, das Fußballturnier hatte noch nicht einmal angefangen und schon fragten die ersten Schüler nach dem Veranstaltungsende. „Um 17 Uhr, Anton ...“ „Ja, jaaaa ...“ Offenbar hatte er gemerkt, dass seine Frage nicht so besonders clever gestellt war und so machte Anton auf dem Absatz kehrt und stürmte auf ein paar Jungs aus seiner Klasse zu, die gerade eintrafen. Aber als hätten sie sich unbemerkt verabredet, löste sich der nächste aus der Gruppe, steuerte auf mich zu und begann ... „Herr Krüger ...“ „Guten Morgen ...“
Nun ja, das Spielchen begann von Neuem bis sich die wilde Horde Richtung Umkleideraum bewegte und sich in ihren Sportdress warf. Herr Krüger nahm die Tribüne in Augenschein, um die Anwesenheit seiner Schäfchen zu prüfen bis auch dort zwei Mädchen auf ihn zustürmten und „Herr Krüger ...“

Im Laufe des Spieles konnte Herr Krüger Verhaltensweisen beobachten, die ihn jedoch eher an einen Stamm wildgewordener Gorillas als an eine zivilisierte Schulklasse eines bildungsnahen Bezirks erinnerten. Na gut, fünf andere Stämme waren auch gerade in diesem Areal, aber dennoch: Herr Krüger wurde Zeuge ethologischer Verhaltensweisen, die Jane Godall zweifelsfrei der Kategorie „Imponiergehabe“ zugeordnet hätte. So hatte sich z. B. der Leitgorilla der Nachbarklasse – eindeutig ein selbsternanntes Alpha-Tier – einen Schlachtruf überlegt, der seinesgleichen suchte und den seine Horde kurz vor Anpfiff zu hören bekam. Spätestens jetzt zeigten sich die deutlichen Anzeichen gorillahaften Verhaltens, weil das Geschrei besser wahrzunehmen war als irgendwelche Artikulationen, die auf einen inhaltlichen Sinn schließen ließen. Hauptsache laut Hauptsache gebrüllt – das schien die Devise.
Wieder andere Schüler sprangen wie überkandidelte Primaten auf den Bänken des Ranges herum, dass nur noch Lianen gefehlt hätten, um das Bild eines Dschungelszenarios entstehen zu lassen. Und einen Primaten zu bändigen ist ... eigentlich ebenso unmöglich wie dieses mit einem Teenager zu tun, dessen gesamter Steuerungsapparat umgebaut wird. Sinnvolles, geordnetes und diszipliniertes Verhalten zu erzielen ist hier eigentlich ein eher hoffnungsloses Unterfangen.

Herr Krüger, entzog sich mit dem Gedanken, doch einmal zu gucken, wo die übrigen Beta-Männchen geblieben waren und fand diese im warm-stickigen und muffigen Umkleideraum, den diese offenbar als gemütlich empfanden. Dabei war es ja nicht so sehr der Geruch jugendlichen Schweißes dreier Klassen, der sich hier mischte, aber dieses Beißen in den Augen machte Herrn Krüger doch schon zu schaffen. So warf er die Bande kurzerhand raus, öffnete gegen das explosive Gasgemisch zumindest ein Kippfenster und verließ den Raum schnellstmöglich wieder. Auf der Treppe zur Tribüne umgab ihn von einer Sekunde zur nächsten ein Getümmel Halbstarker, die unmittelbar aus den Revierkämpfen gekommen waren und demzufolge frische, intensive Gase ausstießen. Dann entdeckte Herr Krüger im Tumult noch eine Horde Stammesweibchen, die nun wieder ganz andere Geruchsnuancen ins Spiel brachten ...

Jeder Parfumier hätte sich dieser Strapaze entzogen, aber Herr Krüger und seine Kolleginnen und Kollegen hielten wacker durch bis die verschiedenen Rudel das Weite suchten und in ihre Heimatgefilde zurückkehrten. Dennoch wussten sie alle, der Aufmarsch der Primaten würde sich wiederholen ...

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