Montag, 19. Januar 2015

Eltern als Vorbilder? - Lieber nicht!

Herr Krüger wollte eine Klassenfahrt machen. Nein, er wollte eigentlich gar nicht, wurde aber von seiner Klasse unter Druck gesetzt, weil „alle eine Klassenfahrt machen“. Und was „alle“ machen, muss die 10.4 das natürlich auch tun. Überhaupt machen Schüler grundsätzlich alles, was alle machen! Ins Ausland soll es gehen, am besten fast nichts kosten, viel Freizeit soll es geben und wenn irgend möglich keine Regeln, maximal drei vielleicht, aber auch diese, so wünscht sich die Klasse, sollten möglichst mehr grobe Richtlinien, keinesfalls jedoch verbindliche Vorschriften sein.


Mit Engelszungen und zahlreichen Bemühungen ist es Herrn Krüger gelungen, seinen Schülern ein akzeptables Angebot zu unterbreiten, das  notgedrungen von ihnen akzeptiert wurde, allerdings ... hatte Herr Krüger die Rechnung da ohne die Eltern gemacht. In der Klasse von Herrn Krüger – es ist eine Abschlussklasse, die in Kürze die Schule verlassen wird – gab es nämlich Eltern, die es sich zum Lebensinhalt gemacht zu haben schienen, Herrn Krüger das Leben schwer zu machen. In einem Anflug von vermeintlicher Genialität hatten sie Ihre Kinder so erzogen (wenn überhaupt), dass man sich nichts bieten lassen muss, dass sie machen können, was sie wollen und dass nichts all dessen Folgen hat. Vielleicht haben sie das Ihren Kindern so nicht direkt eingebläut, sondern eher vorgelebt, denn man merkte seit Anbeginn in der 7. Klasse, dass gewisse befremdliche Verhaltensweisen zunahmen. Und so etwas konnte nur aus dem Elternhaus kommen. Zu diesem Schluss musste jedenfalls Herr Krüger kommen, wenn er analytisch an all die Erlebnisse dachte, die ihm so mit diesen Eltern widerfahren waren.


Dass ‚Bescheißen‘ mit zu besagtem Vorbildverhalten der Eltern gehörte, zeigte sich Herrn Krüger im Rahmen der weiteren Klassenfahrts-Vorbereitungen. Er schickte das übliche Regelwerk zu den notwendigen Verhaltensweisen der Sprösslinge sowie möglichen Konsequenzen bei Regelverstößen an die Eltern. Dabei war Herr Krüger davon ausgegangen, dass er es mit erwachsenen, korrekt und vorbildlich handelnden Eltern im Sinne ihres Kindes zu tun hatte. Weit gefehlt, denn nachdem Herr Krüger die zu unterzeichnende Einverständniserklärung im veränderbaren Word-Format rumgeschickt hatte, erhielt er prompt von Familie Pedanti eine Version zurück, die sich irgendwie komisch las. Zu lesen stand da u. a. „Regelverstöße können nicht dazu führen, dass ich auf eigene Kosten nach Hause geschickt werden kann“ oder „Das Ertrinken im Meer ist verboten.“ Herr Krüger glaubte, seinen Augen nicht zu trauen und verglich mit seinem Original. Dann wusste er nicht genau, ob er lachen oder sich aufregen sollte. Glücklicherweise gewann das laute Lachen, das aus seiner Kehle kam. Er dachte an die Tochter und ihm wurde einmal mehr klar, warum sie so war, wie sie war. Sie konnte ja gar nicht anders sein - bei solchen Vorbildern zu Hause. Dann fiel es Herrn Krüger wieder ein: Diese Eltern, erinnerte er sich, waren auch diejenigen, die eine Einverständniserklärung in der 7. Klasse nicht unterschrieben hatten, weil damals ein ‚e‘ in einem der Wörter fehlte.

Herr Krüger schüttelte fassungslos den Kopf und murmelte vor sich hin: „Himmel, lass es Weisheit regnen, besonders auf die Eltern!“

1 Kommentar:

  1. Das ist wirklich lustig ... bis traurig! So wahr. Ich schreibe das aus jahrelanger Lehrerinnen-Perspektive! Der Beruf wird echt nicht langweilig ... "Eltern" sind dabei eine ganz spezielle Spezies. Das hat "Mr B" sehr passend dargelegt!! Wie gut, dass man jeder noch so grotesken Situation immer noch eine gute Packung Humor abgewinnen kann. Genau ins Schwarze getroffen! Weiter so, Mr B! Aber ... Es gibt sie ja glücklicherweise auch: die zahlreichen wertschätzenden, aktiven Eltern!! :-)

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